Mario P. - wie ein Staatenloser argentinischer Nationen-Preis-Reiter wurde Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 27. Oktober 2010 um 08:55

Hinsbeck. Es gibt die seltsamsten Springreiter-Karrieren mit eigenem Charakter. Hugo Simon ritt zum Beispiel für Deutschland, dann bei Olympia 1972 für Österreich, Franke Sloothaak wurde kurz vor Olympia 1980 den Holländern abspenstig gemacht, aber die sicher kurioseste legte Mario Piasecki hin. Er war staatenlos und qualifizierte sich mit Argentinien 1996 für Olympia...

 

An diesem herrlichen sonnigen Vormittag kam  Peter Leone (40) aus den USA mit Kundschaft in die Reitanlage am Schenkesweg 1.

 

 

Oben links auf dem Foto: Peter Leone, Team-Olympiazweiter mit den USA 1996

Foto darunter: Reitplatz von Mario Piasecki

 

Der Team-Olympiazweite von Atlanta 1996 hatte eine Mutter mit Tochter im Schlepp. Die Tochter suchte ein Pferd, das alles schon konnte, und am besten von alleine den Weg durch den Parcours sucht und auch noch fehlerlos findet. Für einen solchen Anspruch hatte Mario Piasecki nichts parat. Chefbereiter Sebastian Adams (Wuppertal) sinkt beinahe verzweifelt in einen Sessel im Büro. „Macht nichts“, sagt Mario Piasecki (50).

 

 

Mario Piasecki

 

Und dann erklärt er seine Philosophie: „Ehe ich ein Pferd verkaufe, möchte ich sehen, wie der Kunde im Sattel sitzt, wie er mit dem Pferd zurecht kommt, was er überhaupt kann und was nicht. Wo steht er in der reiterlichen Ausbildung. Passt es nicht, sage ich es auch. Dann verzichte ich eben auf ein vermeintlich gutes Geschäft.“ Auf keinen Fall möchte er ein Pferd nur des Verkaufens wegen verscherbeln, „denn ich will meine Kundschaft behalten.“ Er sagt es nicht, aber man weiß, da hat er teilweise eine total verquere Denkweise im Vergleich zu den meisten anderen in der Branche.

 

 

„Übernehme volle Verantwortung

 

 

Und er sagt: „Wenn ich ein Pferd verkaufe, dann übernehme ich gleichzeitig Verantwortung. Und auch die Topbetreuung, das heißt zum Beispiel Vorbereitung auf Turniere.“ Verkaufte Pferde verliert er nicht aus den Augen. Der Auszug eines Pferdes aus dem Stall ist nicht gleichzeitig verbunden mit dem bekannten Händlerspruch: „Auf Nimmerwiedersehen.“ Er wundert sich immer wieder, wie anders sich deutsche Kunden im Vergleich zu denen aus dem Ausland verhalten, „wenn Amerikaner kommen, Mexikaner, Spanier oder Südamerikaner, oder aus den europäischen Nachbarländern, die bringen immer ihren Trainer mit – Deutsche nicht.“ Wahrscheinlich verzichten deutsche Pferdesucher allein schon deshalb auf den gewohnten Coach, „denn der könnte ja einen Euro an Provision abbekommen wollen“ (Piasecki). Und weiter meint er, früher seien die Kinder reiterlich besser ausgebildet gewesen, „heute müssen die Pferde das ausgleichen. Heute haben die Pferde leichter zu „handeln“ zu  sein.“

 

Dankschreiben von Prinzessin Haya...


 

Sein eingeschlagener Weg kann nicht so falsch sein. Das beweisen Dankschreiben mit Fotos von Prinzessin Haya von Jordanien, Reiterin und Präsidentin des Weltverbandes, oder von der griechischen Milliardärin Athina Onassis. Beiden fehlt wahrlich nichts auf der Suche nach einem Pferd. Den Umgang mit Geld haben sie sicher nie lernen müssen, vor einem Grenzpfahl zu stehen, kennen die beiden Damen sicher nur aus dem Fernsehen. Und Beziehungen aufzubauen, brauchte auch keine von ihnen. Man hat sie, von Geburt her. Und gerade sie kamen in das verträumte Hinsbeck am Niederrhein, zu Mario Piasecki, um ausgerechnet bei ihm das entsprechende Pferd zu suchen und auch zu finden.

 

... und Margie Engle, Team-Silber mit der US-Equipe bei den Weltreiterspielen 2006

 

Seit fünf Jahren trainiert der Russe Vladimir Tuganow bei ihm, die österreichische Nachwuchsmeisterin Stefanie Kießling holt sich Hilfe in Hinsbeck und auch die Grand Prix-Dressurreiterin Sonja Bolz aus Bonn, die sich auch ganz gut in einem Springparcours zurecht findet.

 

Seit 22 Jahren ist er mit seiner heutigen Ehefrau Bettina zusammen, Tochter Nina (16) will sich den Turnierstress nicht antun, lieber studieren, „obwohl sie reiterlich mehr Talent hat als ich.“ Seit 2005 ist er in Hinsbeck, jetzt Nettetal,  nach dem Abitur war er immer mit Pferden zusammen, das meiste gelernt habe er in zwei Jahren bei Michael Fervers, erzählt er.

 

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Ehepaar Bettina und Mario Piasecki - seit 22 Jahren zusammen

 


Der Vater Pole – Mutter Deutsche – er nichts...

 

Der Vater stammte aus Polen, kam in deutsche Kriegsgefangenschaft und blieb nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und heiratete eine Deutsche. Nach der Genfer Konvention konnten sich die ehemaligen Kriegsgefangenen, wollten sie nicht in ihre angestammte Heimat zurückkehren, ihr „Passland“ aussuchen. Sie galten als staatenlos. Das traf auch auf die Kinder zu, und somit auch auf Mario Piasecki, der zwar 1960 in Deutschland geboren wurde, aber keinen deutschen Pass beantragte. Er wurde Argentinier.

 

 

Und das kam so. 1993 trainierte die argentinische Nationen-Preis-Equipe auf seiner Anlage im Hinblick auf den CSIO von Portugal in Lissabon. Bei den Südamerikanern fiel dann einer aus. Sie hätten herumgedruckst, was man denn jetzt machen könne. Da meinte Mario Piasecki, er könnte ja in der Equipe reiten... Er hatte damals den prachtvollen sicheren Wallach Papermoon. „Innerhalb von zwei Wochen hatte ich den argentinischen Pass“ sagt er, und somit war er auch Argentinier „und ritt im Preis der Nationen in Lissabon und beide Runden ohne Fehler“. Auf Papermoon qualifizierte er sich für die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta, „doch wenige Woche vor Beginn musste der Wallach wegen einer Bakterienvergiftung eingeschläfert werden“, so Piasecki. Für Papermoon hatte er ein Millionen-Angebot vorliegen, „deshalb werde ich in Zukunft immer verkaufen, sollte eine solche Anfrage mit entsprechendem Preis für ein Pferd da sein, so etwas wie mit Papermoon passiert mir nicht mehr.“ Für Olympia 2000 in Sydney war er ebenfalls qualifiziert. Inzwischen hat er sich vor allem auf Coaching seiner Kunden spezialisiert, für`s Reiten gibt es vor allem Sebastian Adams.

 

 

Kein Doping im Stall – aber Jens Hilger...

 

Jens Hilger

(alle Fotos: Uta Ludwig)

 

Piasecki und Hilger (47) trafen auch wiederum durch Zufall zusammen. In Wien, beim „Fest der Pferde“ in der Stadthalle vor zehn Jahren. Piasecki ritt ein zu einem Springen, doch das Pferd rührte sich nicht mehr. Stand wie gelähmt in der Halle. Auf der Tribüne beobachtete Jens Hilger das Verhalten des Tieres, ging runter und bot seine Hilfe an. Der Ischiasnerv war eingeklemmt. Seither arbeiten sie zusammen.

„Hier wird nicht gedopt“, sagt Mario Piasecki, „nicht in meinem Stall, nicht zum Verkauf eines Pferdes, nicht vor einem Turnier.“ Und er sagt: „Um Leistung zu bringen, muss sich auch ein Pferd wohlfühlen.“ Für die echten Krankheiten hat er beispielsweise Dr. Bernd Hartmann als Veterinär, für die Wehwehchen, wie sie jeden Sportler plagen, eben auch Pferde, Jens Hilger. Er wird gerufen bei Problemen mit der Atmung, psychischen Erkrankungen, bei Rückenproblemen oder Muskelverspannungen zum Beispiel.

 

Jens Hilger ist Akupunkteur mit Praxis in Frechen bei Köln (www.pferde-akupunktur.com). Vor mehr als 15 Jahren flog er dorthin, wo diese Heilkunde „erfunden“ wurde, nach China. Zum Kursus mehrmals im Jahr. Der Lehrgang kostete 12.000 DM, Jens Hilger schloss das Studium mit einer schriftlichen Prüfung und einem Praxistest für das Diplom erfolgreich ab.

 

Zu seinen Kunden zählen neben Mario Piasecki u.a. der Hamburger Achaz von Buchwaldt, zweimal deutscher Derbygewinner und erfolgreicher Bundestrainer in Dänemark (Aufstieg in die Topliga der besten Nationen-Preis-Mannschaften), der zweimalige Mannschafts-Olympiasieger Lars Nieberg, in der Dressur Ellen Schulten-Baumer aus Rheinberg und Belgiens Exweltmeister der Springreiter, Jos Lansink, der an seine Stute Valentina sonst niemanden dranlässt.  Bei den letzten Weltreiterspielen in Lexington brauchte man ihn auch...

 

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