Der Weltverband FEI auf dem Weg zur Selbstherrlichkeit ? Drucken
Geschrieben von: Dr. F.W. Lehmann/ dl   
Sonntag, 19. Oktober 2025 um 13:31

Schliersee. Seit 1. Januar 2025 gilt beim Reiterweltverband FEI  (Fédération Équestre Internationale ) die FEI-Social-Media-Policy. Die „FEI Social Media Policy“ ist ein fundamental wirkendes verbindliches Regelwerk innerhalb des Vereinsrechts und der Vereinsautonomie, das sich an einen von der FEI bestimmten Kreis von Adressaten (Participants) richtet. Dazu eine Betrachtung des bekannten deutschen Rechtsanwalts Dr. F.W. Lehmann.

Der Weltverband FEI strebt nach fast uneingreifbarer Macht. So jedenfalls kann man das neue am 1. Januar 2025 herausgegebene Regelwerk durchaus sehen. Es listet den Participants auf, für die FEI, die Mitgliedsvereine der FEI und alle weiteren im Regelwerk aufgeführten Personen in der Welt der Pferde und der Athleten, wie sie sich verbindlich zu verhalten haben  bei Nutzung der sozialen Medien zu Bildern (Videos) und bei Abgabe von Meinungsäußerungen auf entsprechenden Plattformen. Verstöße können zu erheblichen Vereinsstrafen einschließlich Sperren der Teilnahme an Wettbewerbe führen. 

Social Media sind digitale Plattformen und Technologien (Techniken), die es Nutzern ermöglichen, Inhalte zu erstellen, zu teilen und zu interagieren, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Sie umfassen eine Vielzahl von Plattformen wie soziale Netzwerke (z. B. Facebook, X/Twitter), Foto- und Videoplattformen (z. B. Instagram, YouTube, TikTok) sowie Messenger-Dienste (z. B. WhatsApp). Im Gegensatz zu klassischen Medien ermöglicht Social Media eine zweiseitige Kommunikation und einen direkten Dialog zwischen Nutzern und Unternehmen. 

Das verbindliche neue Regelwerk der FEI mit der Bezeichnung „FEI Social-Media-Policy“ enthält das Verbot der Veröffentlichung von Videos von großen FEI-Veranstaltungen durch „Nicht-Rechte-Inhaber“ (wie Reiter, Pferdebesitzer oder akkreditierte Medien) in sozialen Medien, Websites und anderen digitalen Plattformen. Zusätzlich soll diese Policy die Verbreitung von Hassrede und Falschnachrichten eindämmen und die Integrität des Sports wahren. Verstöße können mit Strafen wie Geldstrafen, Suspendierung oder sogar einer lebenslangen Sperre geahndet werden. 

Ziel des Regelwerks der FEI ist es, auf der Grundlage des für die Adressaten (Paticipants) verbindlichen Regelwerks FEI Social Media Policy in den sozialen Medien einen respektvollen Diskurs im Sport zu fördern.

Die FEI betont, dass sie das Recht auf freie Meinungsäußerung in vollem Umfang respektiert. Die freie Meinungsäußerung entbinde allerdings nicht die Participants von der Beachtung wesentlicher Verhaltensregeln im Umgang miteinander innerhalb der Pferdewelt.

Der Hinweis der FEI entspricht den allgemeinen Regeln der Ethik.

Aber es ist zugleich herbe Kritik angesagt:

  1. Die Federation Equestre International (FEI) - sie ist das oberste Monopol- Machtorgan im Pferdesport und zugleich Wirtschaftsmacht – verfolgt mit dem Regelwerk "Sozial Media Policy“ eine auf den ersten Blick anerkennenswerte Strategie (policy). Erst auf den zweiten Blick und einer Analyse ist ein hohes Risiko insbesondere für Athleten zu erkennen, dass sie aufgrund der im Regelwerk enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe von dem für sie zuständigen nationalen Sportgericht bis hin zum Internationalen Sportgerichtshof (CAS) Strafen entgegen nehmen müssen, die ihr Sportleben und ihr Berufsleben nur deshalb ruinieren können und dürfen, weil die der Bestrafung zugrundeliegenden Tatbestände im Regelwerk nicht hinreichend deutlich bestimmt oder unbestimmt sind. Die Bestrafung darf grundsätzlich nur erfolgen, wenn die Straftatbestände transparent sind.

Unbestimmt schriftlich gefasste Straftatbestände dürfen nicht zur Bestrafung führen. Sie widersprechen dem Rechtsstaat.

  1. Vereine und Verbände, die aus Vereinen bestehen, haben in unserem Rechtsstaat Deutschland und auch in Europa das Grundrecht der so genannten Vereinsautonomie.

  1. Der Rechtsstaat, in dem Strafen durch den Gesetzgeber (Parlament) festgelegt werden, endet jedoch am Tor des Vereins oder Verbandes. Das Tor ist für die Überprüfung von Vereinsstrafen durch ordentliche rechtsstaatliche Gerichte, die nur außerhalb des Vereins oder Verbandes Recht sprechen dürfen, verschlossen. Daher können Regelwerke eines Vereins oder Verbandes bis an die Grenze der Willkür reichen, ohne dass der einzelne Athlet sich wehren kann.

  1. Die Autonomie der FEI und eines jeden anderen Vereins ist so weit gespannt, dass ein derartiges Regelwerk der FEI grundsätzlich nicht außerhalb der Vereinsautonomie von einem ordentlichen Gericht überprüft werden darf.

  1. Wir müssen kritisch erkennen:

Die im neuen Regelwerk der FEI im Strafkatalog aufgeführten Strafen (Sanktionen) können tief in die sportliche Entwicklung und das Ansehen des Verdächtigten eingreifen, dies auch, wenn sich herausstellt, dass der Verdacht zu Unrecht geäußert ist. Aber auch dann, wenn ein Sportgericht den Verdächtigen gemäß dem Strafkatalog der FEI verurteilt, hat der Verurteilte keine rechtliche Möglichkeit, das Urteil des Sportgerichts durch die ordentliche Gerichtsbarkeit überprüfen zu lassen.

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in dem bekannten Rechtsfall der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (BGH vom 7.6.2016-KZR 6/15) klargestellt. Das von Claudia Pechstein angerufene Bundesverfassungsgericht hat im Wesentlichen die Unantastbarkeit der Vereinsautonomie bestätigt. Allerdings dürfen Gerichtsverhandlungen der Sportgerichte nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden, wenn der Athlet die Öffnung verlangt.

  1. Sind wir mit dem neuen FEI-Regelwerk nun vollends auf dem Weg zur Autokratie der Sportvereine?

Wir nehmen in diesen Tagen Demonstrationen gegen Autokraten (Diktatoren) wahr. Demokraten wehren sich, dass Autokraten in ihrer vermeintlichen Selbstherrlichkeit an den Grundfesten der Demokratie durch Verdrängen der Rechtsstaatlichkeit rütteln und auch die Justiz der ordentlichen Gerichtsbarkeit behindern.

Lenken wir den Blick auf die Vereinsautonomie, so stellen die einen oder anderen Vereinsvorsitzenden fest, dass sie in Deutschland und in Europa aufgrund Art. 9 unserer Verfassung sogar das Grundrecht haben, autonom hinter dem verschlossenen Tor handeln zu dürfen.

Sie dürfen mit Regelwerken innerhalb des Vereins Rechtsnormen schaffen, die gerichtlich nicht überprüfbar sind.

Anders gesagt: Vereine befinden sich gleichsam auf einer einsamen Insel im Ozean, auf der Einwohner Selbstjustiz üben dürfen. Jedoch ist zu bedenken: Mag zwar die Führung der FEI derzeit das Gute im Sinn haben, so können sich die gut gemeinten Taten ändern und nicht mehr den ursprünglich von der FEI verfolgten Anforderungen der Ethik im Umgang mit dem Pferd genügen.

Daher gilt auch im autonomen Vereinswesen das geflügelte Wort: „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären." (vgl. Friedrich Schiller, in „Die Piccolomini).

Wenn daher der Tag einer neuen Führung im Verein oder Verband beginnt, dann ist nicht auszuschließen, dass die neue Führung mehr Gehorsam gegenüber der FEI fordert und die bisher weitgehend unbestimmten Rechts- und Strafbegriffe im Regelwerk FEI Social Media Policy nach anderen Maßstäben ausgelegt.

  1. Alle Participants am Regelwerk, also auch die Athleten, befinden sich nun mit dem neuen Regelwerk der FEI auf einem neuen Weg mit hohen Risken.

Noch wissen wir nicht, wohin er führt, führt der Weg von der Demokratie zur Autokratie des Monopolverbandes FEI?

Fazit:

Das Regelwerk „FEI Social Media Policy“ ist wohl eher nicht als ein epochales Meisterwerk zu feiern. Es gilt fortan, wachsam zu sein, sich selbst in die ehrenamtliche Arbeit der Vereine einzubringen, um nach Möglichkeit böse Entwicklungen zu verhindern.

Den Rechtssatz „Wehret den Anfängen“(principiis obsta ) haben schon die Römer in die Rechtsphilosophie vor mehr als 2000 Jahren erkannt. Ereignisse der Historie wiederholen sich leider.

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Autor Dr. Friedrich-Wilhelm Lehmann ist sicher einer der wenigen Juristen, die einen Prozess wegen Dopings vor dem Internationalen Sport-Gerichtshof (CAS) gewannen, er wird das Thema in einem Folgebeitrag vertiefen.

 

 

 

 

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