Western-Reining - Abgesang auf eine Reitsport-Disziplin... Drucken
Geschrieben von: Raimund Hesse/DL   
Montag, 26. August 2019 um 18:28

Gelsenkirchen. Der Reiningsport in Europa steht am Scheideweg, der Weltverband (FEI) zieht sich zurück, es fehle den Westernreiten an Eigeninitiative, Anhänger zu gewinnen und sich richtig darzustellen. Raimund Hesse, ehemaliger Chefredakteur der Fachblätter Quarter Horse Journal und Western Horsemanship Magazine, seit einigen Jahren im Ruhestand, hat sich damit befasst. 

 

Die nachstehende Meldung der Fédération Equestre Internationale (FEI) überraschte am 4. Juli 2001 mit der Nachricht: „Reining wird der siebte Wettbewerb der Federation Equestre Internationale (FEI) bei den Weltreiterspielen im nächsten Jahr sein.“ Ein Jahr zuvor hatte es noch geheißen aus der Weltreiterzentrale in Lausanne (Schweiz), dass die Westernreitsportdisziplin Reining bei den Weltreiterspielen in Jerez de la Frontera (Spanien) 2002 nicht zum Programm gehöre.

Es kam dann doch anders. Aus welchen Gründen auch immer fruchtete bei der FEI die Überzeugung, dass Reining nicht nur „Kreisel-Reiten“, sondern ein ernst zu nehmender Sport mit vielen Tausend Reitern in der ganzen Welt sei. Mit einem gewaltigen Aufgebot von Funktionären und Experten waren nämlich die internationalen Reining-Organisationen bei der Generalversammlung der FEI in Mainz im April 2000 aufgetreten. Auf der Tagesordnung stand die Vorstellung der Reitsportart Reining. Die Zahlen überzeugten wohl Präsidium, denn 57.000 Aktive in 47 Ländern auf fünf Kontinenten waren nicht von der Hand zu weisen. Damit war der von der FEI geforderte Leistungsnachweis erfüllt. Die Delegierten der 83 von insgesamt 123 nationalen Mitgliederorganisationen stimmten mit großer Mehrheit der Aufnahme zu – 67,47 Prozent. Somit war Reining nach Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Voltigieren, Fahren und Distanzreiten eine weitere offizielle FEI-Disziplin.

Ob bei einigen FEI-Funktionären durch die Erweiterung einer weiteren Disziplin mögliche Dollarzeichen in den Augen vorhanden waren, bleibt der Phantasie des geneigten Lesers überlassen. Nur hatten die verantwortlichen Gremien offenbar das bereits vorhandene Regelwerk der National Reining Horse Association (NRHA) Nordamerikas wohl ausgeblendet, das bis dato für die FEI anscheinend nicht relevant war.

Der 2016 verstorbene Jack Drechlser, Richterkoryphäe in Reining und der klassischen Reiterei, 1970 Aufenthalte bei Egon von Neindorff und Willi Schultheis zwecks Weiterbildung in der Dressur, berichtete in einem Interview, dass eine FEI-Delegation bei einem Besuch in der NRHA-Zentrale in Oklahoma City/Oklahoma fast wie Staatsgäste empfangen wurden, alles vom Feinsten, so ganz im Sinne der FEI.

Nach dem Votum in Mainz erhielt Reining als siebte Reitsportdisziplin sozusagen den „Ritterschlag“ durch den Weltverband. Keine Frage, dass in vielen der NRHA angeschlossenen Reiningvereinen große Jubelstimmung herrschte, insbesondere in Europa. Der kanadische Richter mit deutschen Wurzeln wies in diversen Sitzungen beim Fachverband, der Ontario Reining Horse Association, auf die Problematik Doping hin. Auf vielen amerikanischen Reiningevents gehört nämlich Doping immer noch zum normalen Tagesgeschäft, obwohl die us-amerikanische Föderation zwar manchmal mahnend den Zeigefinger hob, doch es änderte sich nichts. Denn dahinter steht eine Dollar-starke Macht.  Um es mit der Philosophie des derzeitigen US-Präsidenten auszudrücken: „It's a good deal.“

Mit der Anerkennung durch die FEI wurde Reinig auch Teil der nationalen reiterlichen Spitzenverbände – so wie in Deutschland die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), Warendorf. Um die Sparte Reining sach- und fachgerecht zu bearbeiten, wurde der Disziplinbeirat Reining beim Deutschen Olympiadekomitee für Reiterei (DOKR) gegründet, mit Vertretern der fünf agierenden Westernreitvereine.

Der Beirat beruft unter anderem den jeweiligen nationalen Reiningkader, deren Mitglieder nach entsprechenden Sichtungen zu internationalen FEI-Championaten geschickt werden. Auch die Austragungsorte und Termine für die Qualifikationen für die Deutsche Meisterschaft Reining FN beschließt der Beirat, dazu gehört auch die Vergabe der Deutschen Meisterschaft (DM), für die sich die jeweiligen Verbände bewerben können. 2001 fand die erste DM statt, die von der deutschen National Reining Horse Association (NRHA) in Kreuth ausgerichtet wurde. Grischa Ludwig, ein Berufsreiter aus dem schwäbischen Bitz, schrieb sich als erster Deutscher Meister in die FN-Chronik Reining ein.

Der FN kann man vieles vorwerfen, aber in Sachen Organisation etc. dürften die Warendorfer europaweit gut aufgestellt sein. Mutmaßlich gab es sogar einen Masterplan, um Reining-Veranstaltungen in das Sportprogramm der FN aufzunehmen, um eine einheitliche Linie zu konzipieren. Dazu sollte gehören,  Reining über die FN abzuwickeln. Wie die Umsetzung ausgesehen hätte, ging aus dem mutmaßlichen Masterplan nicht hervor.

Reining und Olympia war stets ein Thema, das immer wieder zu heftigen wie leidenschaftlichen Diskussionen führte. Auch wenn der Wunsch nach Olympia aus Sicht der Reiningfunktionäre verständlich war, eine Umsetzung unmöglich. Da es bei Olympia nur drei reitsportliche Disziplinen gibt, hätte es eine vierte schwer gehabt, in das olympische Programm aufgenommen zu werden. Sollte allerdings eine der jetzt bestehenden Wettbewerbe – Dressur, Springen und Vielseitigkeit - vom IOC gestrichen werden, wird keine andere Prüfung dafür nachrücken.

Reining ab 2020 nicht mehr unter FEI-Schirm

Bei der FEI Generalversammlung 2018 in Bahrain wurde die Zusammenarbeit mit den beiden wichtigsten amerikanischen Reiningverbänden, der National Reining Horse Association (NRHA) und American Quarter Horse Association (AQHA), beendet. Die Auffassungen in den Segmenten Doping und Tierschutz seien seit Jahren zu unterschiedlich, von amerikanischer Seite gäbe es augenfällige Verstöße gegen eine mit der FEI beschlossenen Kooperationsvereinbarung von 2014.

Im Rahmen der diesjährigen FEI-Championate in Givrins/Schweiz teilte die FEI am 8. Juli mit, dass ab 2020 keine weiteren Reining-Titelkämpfe  mit dem Segen der FEI mehr auf regionaler, kontinentaler oder weltweiter Ebene ausgetragen werden. Die nationalen Reiterverbände (FN) könnten Reining innerhalb ihrer Strukturen auf nationaler und/oder internationaler Ebene weiterhin mit anderen Reining-Verwaltungsorganen arbeiten. Wörtlich: „As of 2020, no further FEI Reining Championships at either regional, continental or world level would be held. FEI NFs could continue to manage Reining within their NF structures on a national and/or international level with other Reining governing bodies.”

Ekkehard Wittelsbürger vom gleichnamigen Internetportal - www.wittelsbuerger.de - brachte es auf den Punkt: „Kurz gesagt: Die US-Amerikaner hatten seit jeher nur geringes Interesse an dem internationalen FEI-Sport, denn sie verdienen ihr Geld auf den Futuritys und Derbys in den USA. Daher war auch der vor einigen Jahren gestartete neue Verband in den USA (USA Reining) als offizieller Anschlussverband der USEF und von AQHA und NRHA USA als direkte Pipeline für Leistungssportler in den internationalen Reiningsport bezeichnet, ein Misserfolg. Angeführt vom Texaner Pete Kyle (AQHA), sollte USA Reining, zusammen mit der AQHA und NRHA USA, wieder neuen Schwung in die internationale Reiningszene bringen, vor allem durch neue Events. Das wird jetzt wohl auch nicht mehr nötig sein.“

Reining – „weder anerkannt noch salonfähig“

Weiter wird auf www.wittelsbuerger.de der Reining-Aktivensprecher Dr. med. vet. Matthias Gräber zitiert. Er lieferte kürzlich in einem Interview eine erfrischend ehrliche Standortbeschreibung. Für ihn ist das „‚Pflänzchen Reining“ eine immer noch nicht anerkannte Disziplin, der es nicht nur an der Akzeptanz bei den anderen Reitsport-Disziplinen fehle, sondern das zudem auch noch denkbar schlecht in der Öffentlichkeit präsentiert wird – anders gesagt: Westernreiten ist nach elf Jahren FEI noch immer „nicht salonfähig“. Und ob das aber noch nicht genug wäre, konstatiert er ein erlahmendes Interesse bei den Reinern selber. Man müsse Reiter und Pferdebesitzer „reaktivieren“, sagt er, denn es sei bislang schon schwierig genug, „optimale Reiter-Pferd-Kombinationen für die Championate zu finden“. So deutlich und klar hat das bislang noch niemand gesagt, schon gar nicht von Funktionärsseite aus.

Wird man nun Reining national vermissen? Jene, die in der Reiningszene bzw. im Westernsport unterwegs sind, werden ihrer Passion weiter nachgehen. Warum auch nicht, denn Westernreiten ist nicht nur Reining, sondern mit den diversen Disziplinen – Horsemanship, Trail, Western Pleasure etc. – eine Bereicherung für den Bereich Freizeitreiten. Der guten Ordnung halber auch der Hinweis, dass in der deutschen Reiningszene nicht nur Rüpel bzw. Medikations-Befürworter unterwegs sind. Für die reitsportinteressierte Öffentlichkeit wird Reining nach wie vor kein Thema werden. Ein Grund dafür dürfte ein gewisses „im-eigenen-Saft-schmoren“ sein – sprich eine effiziente Öffentlichkeitsarbeit ist mehr oder weniger eine nicht vorhandene Definition. Die ab und zu erscheinenden Trallala-Meldungen finden in der Regel keine große Beachtung in den Medien, vielleicht hin und wieder in der klassischen Reitsportpresse.

Man kann sich Ekkehard Wittelsbuerger, der seit 1996 sozusagen für den Westernreitsport „brennt“ nur anschließen: „Wenn wir Westernreiter also schon für Insider erklärungsbedürftig sind, dann sind wir es für Außenstehende, also die Öffentlichkeit, erst recht. Cowboyhut, Chaps, lange Sporen, Jeans, das ist nur in den USA Alltagskleidung und weckt auch nach über vierzig Jahren in Deutschland und Europa immer wieder dieselben stereotypen Assoziationen. Als Gebrauchsreiterei, und das angesichts der populären Ranch-Disziplinen bis heute, liegt es eben nicht in der DNA des Westernreitens, besonders kultiviert wie der Dressursport oder so elitär wie das Poloreiten daherzukommen. Auch fehlen uns die enormen Geldmittel, die im Distanzreiten investiert werden, und die olympische Vergangenheit des Voltigierens.“

 

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