Der Traum eines kleinen Mädchens (43) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 18. August 2010 um 16:11

Auch Misten kann schön und cool sein...

 

Pollys Ferien übertrafen alle bisherigen. Mit ihren gerade mal sieben Jahren hatte sie noch nie schönere erlebt. Und so machte sie sich auch heute wieder voller Vorfreude für den Reitstall fertig. Diesmal wollten auch ihre zwei jüngeren Brüder wieder einmal mit, in den Ferien kamen sowieso auch andere Geschwisterkinder von Pollys Freunden in den Reitstall, so dass täglich eine beträchtliche Anzahl zusammenkam.

 

Polly hatte also allen Grund, sich auf den Stall zu freuen. Sie verbrachte eh fast jeden Tag dieses Sommers mit ihren Freunden im Stall, und da sie jeden Tag reiten konnte, wurde sie immer besser, „denn“, so hatte auch schon der Reitlehrer gesagt: „Reiten lernt man am besten durch Reiten.“ Dabei machte es ihr gar nichts aus, dass sie, um an einer Reitstunde teilnehmen zu können, vorher erst mal Ponys putzen und pflegen musste. Im Gegenteil, sie genoss es. Der Umgang mit den Ponys bereitete ihr Freude. Das weiche Fell zu striegeln, war keine Zwangsarbeit, sondern bereitete ihr Spaß. Polly spürte, wenn es den Tieren gut tat. Die Ponys entspannten wie unter einer Massage. Manchmal drückten sich die Pferdchen gegen die wohluende Bürste.  Außerdem sahen die Ponys wunderschön aus, wenn sie so sauber dastanden und die Kinder erwartungsvoll ansahen.

 

Weil aber einige Kinder mit ihren Eltern in den  Ferien weggefahren waren, fiel die eine oder andere Schulstunde aus. Für den harten Kern von Polly und ihren Freunden war es das Beste, was geschehen konnte. Denn dann durften sie zusätzlich reiten, weil die Ponys ja sowieso bereits gesattelt waren. Aber das allerbeste daran war, dass der Reitlehrer die Kinder alleine reiten ließ. Das hieß, er teilte zwar die Ponys ein, aber er hielt keine Reitstunde ab. Die Kinder konnten also ganz für sich in der Halle reiten. Natürlich wurde das auch ausgenutzt.  Wenn sie sahen, dass Herr van Hopps den Stall verließ und auch durch die Scheiben in der Tränke nicht zu sehen war, veranstalteten sie kleine Wettrennen in der Reitbahn. Oder sie ritten paarweise nebeneinander und imitierten das Musikreiten der Erwachsenen, zu dem die sich am Sonntag trafen. Es war der Traum der meisten von ihnen, jedenfalls der Mädchen, auch selbst einmal ein Musikreiten veranstalten zu dürfen. Sogar bei diesen wilden Reitereien hatte Polly das Gefühl, dass sie immer besser wurde. Sie war keine Anfängerin mehr. Sie gehörte nun schon zu den Guten.

 

Heute also, da war sie sicher, wartete bestimmt wieder etwas Tolles für alle im Reitstall Hubertus. Da kam eine Überraschung, mit der Polly nicht gerechnet hatte. Alle Pferde des stalles waren geimpft worden. Also durfte an diesem Tag nicht geritten werden. Das hatte der Tierarzt geraten. Kein Reiten heute! Die Kinder waren enttäuscht. „Wieso ausgerechnet in den Schulferien wurden die Pferde geimpft“, fragte provozierend Anton. Ausgerechnet der Junge, der sich selber nie aufs Pferd setzte. Mit ihm hatte die Situation am wenigsten zu tun, fand Polly. Aber ganz Unrecht hatte er mit seiner Frage nicht. Das musste auch Polly zugeben. Sofort rannte Rolf los zu Herrn van Hopps und machte ihm den Vorwurf: „Warum ausgerechnet in den Ferien `ne Impfaktion?“ „Ganz einfach! Weil der Tierarzt ab morgen selbst im Urlaub ist. Und wenn der wiederkommt, sind die Ferien schon längst vorbei, und die regulären Schulstunden müssen wieder stattfinden“, sagte der Reitlehrer. „Die Pferde müssen zweimal im Jahr geimpft werden, und sie sind jetzt wieder fällig“, fügte er noch hinzu. Das leuchtete Rolf irgendwie ein, und die anderen waren etwas bedröppelt, sahen es aber ein. Die eigentliche Überraschung des Tages kam aber in Form schneller Schritte des Reitlehrers auf die Kinder zu:  „Wir nutzen den reitfreien Tag, um den Ponystall ganz auszumisten und einmal von Grund auf zu reinigen“, sagte er zu den Kindern.

 

„Zuerst bringen wir alle Ponys raus auf die Weide. Der kleine Hengst bleibt erst mal im Stall. Der kommt später raus.“, sagte der Reitlehrer. „Sucht euch Mistgabeln, Schüppen und Besen. Die Jungs bringen alle  Schubkarren her, die zu finden sind. Erst werden die Boxen komplett ausgemistet. Dann werden Fugen und Ecken von allem Mist befreit. Danach sehen wir weiter“, fuhr Herr van Hopps fort.

 

Schon allein das Zusammensuchen und Verteilen der Gerätschaften und das Rausbringen der Ponys auf die Weide dauerte lange. Dann legten die Kinder los. Jeder nahm sich ein Box vor. Polly musste Naomis Box ausmisten, weil die kleine Maria Lisas Box machen sollte. Die oberste Schicht vom Einstreu war kein Problem. Die erste Schubkarre war schnell voll. Über ein Brett, das als Rampe diente, wurde die Schubkarre auf den Misthaufen geschoben und ganz oben ausgekippt. Alles kein Problem! Die zweite Schicht ging auch noch. Aber darunter war das verbrauchte Stroh ganz dunkelbraun und völlig durchnässt. Das kam vom Pferde-Pipi. Diese Schicht war sehr schwer. Die Kinder konnten die vollen Mistgabeln kaum noch anheben und in die Karren ausleeren. Die vollen Schubkarren mit diesem nassen Stroh wurden nun so schwer, dass es den Kindern unmöglich war, sie auf den Misthaufen zu fahren. Pitter musste helfen. Er übernahm diesen Teil der Arbeit.

 

Polly roch den beißenden Gestank des nassen Strohs. Es war das erste Mal, dass ein Geruch, der von den geliebten Tieren ausging, für sie ekelhaft erschien. Sechs volle Schubkarren kamen pro Pony-Box zusammen. Das hätte Polly nie gedacht, und jetzt kamen ja noch die Ritzen und Ecken dran, die ausgekratzt werden mussten. Einige Kinder hatten kleine Schüppchen, andere Schraubenzieher, wieder andere benutzten Hufkratzer, um in die Ecken reinzukommen. Schließlich wurde mit Besen, Bürsten oder Handfegern der allerletzte Dreck aus den Boxen gefegt. Inzwischen trocknete die Feuchtigkeit in den Pony-Boxen ab. Die Ställe wirkten ziemlich sauber, fanden die Kinder. „Was jetzt?“, fragten sie sich und wollten frische Strohballen holen. Da kam aber der Reitlehrer und stoppte sie. „Jetzt spritzen wir oder waschen wir die Boxen aus mit Desinfektionsmittel“, sagte er. „Was ist das?“ quäkte die kleine Maria. „Das ist ein Mittel, das Bakterien abtötet. Dadurch wird die  Ansteckungsgefahr für irgendwelche Krankheiten abgeschwächt“,  erklärte der Reitlehrer. „Wir haben hier fünf Eimer bei der Raiffeisengenossenschaft besorgt. Ihr geht mit Handfegern oder Bürsten hinein und schrubbt gründlich die Boxenwände, Ecken und den Boden ab. Erst dann können wir neu einstreuen“, fuhr Herr van Hopps fort. „Das artet ja richtig in Arbeit aus“, stöhnte Petra, die, weil ihr Privat-Pony die größte Box hatte, natürlich mehr arbeiten musste als die anderen. Aber, seltsam, seltsam!!!, der freche Anton half ihr. Eigentlich schien Petra sogar Spaß zu haben. Jedenfalls war aus Dianas Box ziemlich viel Gelächter zu hören. Harald hatte die Hilfe seines Freundes Hansi bei Mäxchens Box. Hansi bräuchte normalerweise nichts zu tun, er nahm ja keine Reitstunde, half aber seinem Freund, das gehört sich so unter Freunden. Umso unverständlicher war es, dass die beiden so lange brauchten, um den Mist wegzufahren. Die beiden Jungs waren die letzten. Sie kamen einfach nicht aus den Pötten. Arbeiten war nicht ihr Ding. Aber Rennen reiten, das konnte Harald....

 

Zum Schluss der Mist-Aktion wurde das ganz frische Stroh in den Pony-Boxen aufgeschüttelt. Bei Pitter hatten die Kinder schon oft gesehen, wie er mit der Gabel in die Ballen hineinstach und das Stroh aufschüttelte und dann verteilte. Für die Kinder war es aber viel reizvoller, die Strohballen mit den Händen auseinanderzureißen und in das nach Frische duftende Stroh zu greifen. Rolf fing damit an, zum Schluss legten sich alle Kinder in das goldgelbe Stroh in die Pony-Boxen. Es fühlte sich herrlich an! Das Desinfektionsmittel roch nach Sauberkeit. Die Kinder waren langsam erschöpft, genossen aber das Gefühl, etwas Tolles geleistet zu haben.

 

„Ich bin sehr stolz auf Euch“, sagte bedeutungsvoll der Reitlehrer. „Ihr werdet gleich sehen, wie sehr sich euere Pferdchen in dem frischen Stall wohlfühlen“, fuhr er fort und fügte dann noch hinzu: „Als Dankeschön für euren Einsatz dürft ihr morgen alle eine Stunde umsonst reiten. Anton und Hansi können sich eine Cola in der Tränke holen, weil sie ja nicht reiten und trotzdem geholfen haben. Ach was, geht Euch jeder eine Cola auf Stallrechnung holen. Und vielen Dank....“

 

(Fortsetzung folgt...)

 

 

 

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