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Satire: Das geheime Tagebuch des Totilas PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Oliver Wehner   
Donnerstag, 05. Januar 2012 um 12:16

Ludwigshafen. In einem geheimen Tagebuch für "Die Rheinpfalz" als Satire beschreibt Oliver Wehner, wie der Rapphengst Totilas sein erstes Jahr in Deutschland erlebte...

 

 



Liebes Tagebuch, ab heute schreibe ich Dir in Deutsch. Ist kein Problem - wir Holländer können ja alle Deutsch. Was man von den Deutschen umgekehrt nicht behaupten kann. Manche verstehen sogar ihre eigene Sprache nicht. Bei der Pressekonferenz mit meinen neuen Chefs Ann-Kathrin Linsenhoff und Paul Schockemöhle lasse ich einen Salzleckstein in der Backentasche zergehen und beantworte jede Frage nuschelnd mit „Otto Mohl fühlt sich unwohl am Pol ohne Atomstrom”. „Wunderpferd kann gar nicht sprechen, ist aber sooooooo süß”, titelt die „Wendy”.

Liebes Tagebuch, ich habe heute meinen neuen Reiter kennen gelernt. Matthias heißt er, ganz blass um die Nüstern, noch ziemlich jung, unterbemuskelt auch. Hat ganz schön an mir gezerrt. Das nächste Mal kriegt der die Kandare an - oder er bekommt einen Westernsattel, damit er sich festhalten kann! Die Hufe habe ich mir hinterher lieber selbst ausgekratzt.

Liebes Tagebuch, das war ein harter Tag. Habe heute meine ersten 70 deutschen Nachkommen gezeugt. Ob ich auch mal eine der Mutterstuten kennen lernen kann, frage ich Paul. Der hört gar nicht zu, sondern rechnet auf einem Zettel. Oben hat er „10 Millionen” aufgeschrieben und darunter „70 x 8000 Euro”. Die zieht er von den 10 Mille ab und murmelt „reicht noch lange nicht”. Danach in die Box. Habe den ganzen Stall für mich allein, kein Kumpel weit und breit. Aus Langeweile übe ich Galopppirouetten auf einem Bierdeckel, baue meinen Hänger zum Wohnwagen mit gelbem Nummernschild um und zähle in meinem Pressespiegel, wie oft das Wort „Wunderpferd” vorkommt. Bei 330 rum muss ich eingeschlafen sein.

Liebes Tagebuch, stell Dir vor: Sie wollen mit mir auf Turnier. Bloß wo? Ich krieg immer nur „Grand Prix Special” mit und fange an, auf meinem Trensengebiss zu kauen. Toll, ich darf also wieder mit Edward Gal reiten! Vor Freude buckle ich Matze ab, da brüllt Paul ins Viereck: „So wird das auf Turnier nix.” Bitte? Grand Prix Special mit Matthias? Ich schlage vor, doch vielleicht zum Einstieg eine A-Dressur in der Pfalz zu reiten, in Weisenheim oder Bad Dürkheim. Da sollen die Fritten gut sein. Ob das Argument zieht? Um mich aufzumuntern, schaut später Hape Kerkeling im Königin-Beatrix-Kostüm vorbei. Ich lade ihn zum lecker Mittagessen ein, es gibt Rübenschnitzel.

Liebes Tagebuch, das mit den Fritten hat die Zweibeiner und Allesfresser überzeugt. Weisenheim war klasse, ich habe das Mächtigkeitsspringen gewonnen! Als Matthias, Paul und Ann-Kathrin sich an der Pommesbude den Bauch vollschlagen und von fetten Schnaken zerstechen lassen, schaue ich dank einer Wolke aus Zedan-Spray gelassen dem Springen zu. Plötzlich kommt da ein runder, älterer Herr und schwingt sich auf mich. Der Platzsprecher kündigt einen gewissen Hugo Simon an, alle jubeln - das ist wohl sein Verein hier. Nur hat er mich mit seinem Pferd verwechselt, er ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Egal, ich bin fehlerfrei und siege in Bestzeit. „Neues Traumpaar: Hugo und das Wunderpferd”, titelt die RHEINPFALZ, die ich irgendwie vor Matthias verstecken muss. Mit Hugo bleibe ich in SMS-Kontakt - falls das mit Matze und der Dressur bis London 2012 nix wird ...

Liebes Tagebuch, komme gerade heim von der EM in Rotterdam. Gewinnen konnten wir natürlich noch nicht, aber dafür hab' ich mit meinem alten Hengst-Kumpel Uthopia ein Heineken getrunken, dazu haben wir uns eine holländische Honigwaffel geteilt und uns einen Heugras-Joint gedreht (hier darf man das). Ihn haben sie auch verkauft, an die Engländer. Uthopia glaubt, dass sein neuer Reiter schwul ist. „Na und”, entgegne ich im Spaß, „ich fürchte, meiner ist ein Wallach.” Wieherndes Gelächter.

Liebes Tagebuch, endlich: Nach der EM haben wir Matthias in den Vollberitt gegeben. Während er seine L-Lektionen trainiert (Kurzkehrt hat er kurz verkehrt gemacht, und beim Rückwärtsrichten hat er sich vorm eigenen Schatten erschreckt), schaue ich fern und knabbere Leoveties-Leckerlis (Papaya-Bockshornklee-Süßholzwurzel). Im Fohlen-TV-Programm kommt „Michel muss mehr Männchen machen.” Ich grinse in mich rein, denn für mich gilt inzwischen das Gegenteil: Keiner will mehr Totilas-Söhne mit albernen Namen wie Tortilla, Tortenguss oder Tontaubenschießanlage haben.

Liebes Tagebuch, im Briefkasten war Post aus Baden-Baden - eine Einladung zur Ehrung der Sportler des Jahres. Matze hat schon seinen schönsten Zylinder gesucht, aber inzwischen hatten Ann-Katrin und Paul nochmal genau geschaut - der Brief war an mich adressiert! „Mijnheer Totilas, von Gribaldi, aus der Lominka; Schafhof, Kronberg”. Im Kurhaus sitze ich am Tisch mit Dirk Nowitzki, Sebastian Vettel, Magdalena Neuner und Jürgen Klopp. Als Rudi Cerne den Sieger aller Klassen bekannt gibt (mich!), da springt Dirk wütend auf und stößt sich die Birne am Kronleuchter an, Sebastian braust mit quietschenden Reifen in seinem Kettcar davon, Lena schießt Jürgen in den Fuß, und die gesamte Dortmunder Fußballmannschaft wird von einem 16-Tonnen-Gewicht erschlagen. Meine Dankesrede auf der Bühne schließe ich mit den Worten des leider verstorbenen Reitsport-Reporters Isenbart: „Und vergesst die Pferde nicht!” Noch in der Nacht bricht meine Facebookseite vor lauter „Gefällt mir”-Hufen zusammen.

 

 

 


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