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Warum vor 40 Jahren spät abends in Mühlen die Glocken läuteten... PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 27. Juli 2016 um 07:09


Alwin Schockemöhle in seiner großen Zeit als Springreiter, direkt rechts neben ihm der braune Wallach Warwick-Rex, das Goldross, das in Bronze gegossen als Erinnerung an Olympia mitten in der Stadt Vechta steht

(Foto: Werner Ernst)

Wassenberg. Heute vor 40 Jahren wurde Alwin Schockemöhle auf dem gewaltigen Wallach Warwick-Rex Olympiasieger der Springreiter in Bromont – in unnachahmlichem Stil, wie zuvor nie Gold gewonnen wurde in einem Parcours ohne Vergleich und ohne Fortsetzung.

 

 

In überwiegend katholischen Gegenden lässt der Computer morgens und abends zu bestimmten Stunden die Kirchturmglocken bewegen. An diesem 27. Juli vor 40 Jahren war das in der neuromanischen Kirche St. Bonaventura zu später Stunde in Mühlen aber anders. Da gab der Pfarrer selbst die Order aus, im fernen Bromont 70 km von Montreal entfernt hatte nämlich nach deutscher Zeit Alwin Schockemöhle gerade die Goldmedaille im Springreiten gewonnen, ein Sohn des Ortes, wo damals schon mehr Pferde als Menschen lebten.

 

Wer dabei war, wird jene Stunden in der kanadischen Provinz abseits von Montreal als Schauplatz der Olympischen Reiterspiele  nie vergessen können.. Nicht die Souveränität, mit der Schockemöhle und sein Hannoveraner Wallach Warwick-Rex ihre Bahnen zogen, nicht jene verstörenden Bilder von stürzenden Pferden, die teilweise hilflos in den schweren Stangen von Oxern und Steilsprüngen hingen.

 

Zwei Tage vor dem Start zum Einzelspringen wird Alwin Schockemöhle neben seinem Bruder Paul und Hans Günter Winkler für das Einzelspringen nominiert. In der Stallgasse tobt der ausgebootete Sönke Sönksen, er schreit: „Größte Sauerei meines Lebens.“ Und als ihn der damalige Präsident Dieter Graf Landsberg-Velen bremsen möchte, raunzt in der Versmolder an: „Herr Graf, jetzt rede ich…“

 

„Damit gerechnet – Olympia…“

 

Das Bruderpaar Paul und Alwin gehen gemeinsam den Parcours zum ersten Umlauf ab. „Du“, sagt Paul, „könnte man da nicht ein bisschen intervenieren, dass die Stangen etwas niedriger gehängt werden?“ Der kanadische Parcourschef Tom Gayford hat keine Hindernisse aufbauen lassen, eher schon Häuser. Zur Erinnerung: Erster Umlauf: 950 m, 15 Hindernisse, 18 Sprünge – in der Abfolge: Oxer 1,30 m vorne, hinten 1.40m, breit 1,60 m als Eröffnung, danach Steilsprung 1,50 m, Oxer 1,50-1,55-2,00 tief, Steilsprung 1,60 m, Zweifache Kombination Oxer über Wasser 1,50/ 1,55-1,80 und 11 m dahinter Oxer über Wasser 1,55/ 1,60-2,00, Steilsprung 1,60 m, Oxer 1,50/ 1,55- 2,10 m, Wassergraben 5,00 m (statt inzwischen üblich 4,50 m), Steilsprung 1,60 m, Oxer 1,55/ 1,60 – 2,10 m, Rick vor Graben 1,55-2,05, Mauer 1,60 m, Tripple Barre 2,60-2,20 m, Dreifache Kombination mit Oxer 1,50/ 1,55-2,00, Oxer 1,60/ 1,60-2,00 und Steilsprung 1,60 und danach Schlusssprung Oxer 1,55/ 1,60-2,20 m. Hans-Heinrich Brinckmann, Bundestrainer und als Parcoursbauer damals unerreicht: „So etwas habe ich noch nie gebaut.“ Alwin Schockemöhle sagt: „So etwas bin ich noch nie geritten.“ Die Brutalität im ersten Umlauf lag am Ende, in der Dreifachen mit Oxer-Oxer-Steil und jeweils nur einem Galoppsprung zwischen den Hürden. Alwin Schockemöhle: „Damit hatte ich gerechnet. Dafür reiten wir ja schließlich bei den Olympischen Spielen, wo ganz einfach an Grenzwerte herangegangen werden muss.“

 

Als erster Deutscher startet Paul Schockemöhle mit Talisman, er kann sich nach 24 Strafpunkten gleich verabschieden, die zweite Runde erreicht er nicht. Hans Günter Winkler, in Bromont 50 geworden, hat nur einen Abwurf mit Torphy und darf bei seinen letzten Olympischen Spielen nochmals auf eine Medaille hoffen. 50.000 Zuschauer sehen einen tapfer kämpfenden Hugo Smon und einen ebenso couragierten Schimmel Lavendel, acht Strafpunkte, wie auch der Belgier Francois Mathy auf Gai Luron. Dann der Auftritt von Alwin Schockemöhle mit Warwick-Rex. Der Braune trabt locker zur Platzmitte, Schockemöhle zieht zum Gruß die Kappe. Keine Unruhe, geradezu Gelassenheit bei Reiter und Pferd. Voller Harmonie ziehen beide ihre Bahn, spielerisch überfliegt Warwick Rex die gewaltigen Ungetüme, zwischen den Sprüngen voll im Takt wie ein Dressurpferd, über den 5 m breiten Wassergraben setzt er fast ohne großen Anlauf weg und nimmt den gefürchteten Steilsprung kurz dahinter voller Aufmerksamkeit. Als das Paar fehlerfrei über den letzten Oxer schwebt – springen die Zuschauer auf, sie hatten den ersten fehlerfreien Ritt des Tages erlebt.

 

Werner Schockemöhle, weltweit anerkannter Zuchtexperte, sagt in der „Halbzeitpause“, die Vorfahren von Warwick Rex hätten in der Zucht keine Rolle gespielt, „aber sie hatten Härte und Stärke.“ Und der Bruder von Paul und Alwin sagt über das Ausnahmepferd Warwick-Rex: „Das Besondere an solchen Pferden ist und bleibt, dass sich das Geniale nicht vor der Zeugung am Schreibtisch ausrechnen lässt. Hier genau gesellt sich das Unwägbare aus der Schöpfung dazu.“ Ehe der Wallach in den Stall nach Mühlen kam, war er schon bei einigen Reitern getestet worden, zum Beispiel von Weltmeister Hartwig Steenken, im Stall des niederländischen Turnierstalles von Leon Melchior oder von Hermann Schridde, in Tokio 1964 Team-Olympiasieger und Einzelzweiter. Als ihn Alwin Schockemöhle übernahm, standen auf der Gewinnseite 4.500 Mark. Es war die geniale Art des Reiters Alwin Schockemöhle, den 1,84 m großen Wallach durch entsprechende Dressurarbeit so zu formen, dass er jeden Parcours bewältigen konnte. Er zeigte immer Leistungsbereitschaft und blieb dafür bis zum Schluss auch ein Beispiel für Leistungsvermögen.

 

HG Winklers Kritik: „Reiner Kampf…“

 

Über Bromont begann es zu grummeln, schwarze Regenwolken zogen auf. Zum zweiten Umlauf durften noch 20 Paare antreten, 28 waren ausgeschieden. Tom Gayford gab den neuen Kurs über 660 m vor mit zehn Hindernissen und 13 Sprüngen. Start mit Mauersprung über 1,60 m, danach Steilsprung 1,70 m, Oxer 1,50/ 1,60-2,00, Oxer 1,60/ 1,65-2,00 m, nach 7,44 m die Zweifache aus Steilsprung 1,60 m – Steilsprung 1,70, dann Oxer 1,60/ 1,70-2,00 m, Wassergraben 5,00 m, Oxer 1,60/ 1,60 – 2,00, Steilsprung 1,60 m und Schlusssprung Dreifache Kombination aus Tripple Barre 1,60  - Steilsprung  1,65 - Oxer 1,60/ 1,70-2,00 m. Klippe: Wassergraben und dann nach vier Galoppsprüngen der Oxer. Die unschönen Bilderhäuften sich, im Parcours wurde regelrecht abgeholzt. Den meisten Pferden fehlte am Ende auch die Kraft in diesem Gebilde aus Hoch-Weit-Sprüngen. Hans Günter Winkler und der dann am Ende überforderte tapfere Torphy kommen auf insgesamt 20 Fehlerpunkte. Winkler (gerade 90 geworden): „Wenn schon diese gigantischen Höhen und Weiten aufgebaut werden, sollten mindestens die Distanzen zwischen den Sprüngen passend gemacht werden. Das war nicht der Fall und führte zu vielen unschönen Bildern. Der Aufbau in der zweiten Runde war nicht geglückt, viele führten nur einen reinen Kampf, um das Ziel zu erreichen, wahrlich keine Werbung für unseren schönen Sport.“

 

Alwin Schockemöhle war letzter Starter, drei Reiter lagen gemeinsam auf dem gleichen Platz mit je zwölf Fehlerpunkten, damit vorne an erster Stelle, die Britin Debbie Johnson auf Moxy, Francois Mathy aus Belgien mit Gai Luron und der Kanadier Michel Vaillancourt auf Branch County. Parcoursbauer Tom Gayford: „Es wird um Gold kein Stechen geben…“

 

Alwin Schockemöhle reitet rascher ein ins Stadion als erwartet, Über dem Stadion lastet schwer ein Unwetter, Blitze zucken bereits, es donnert hart und nah. Alwin Schockemöhle und sein Wallach ziehen unbeeindruckt ihre Kreise, leicht, fast losgelöst von irgendeiner Last. Werner Schockemöhle greift sich an die Brust und stößt ein „Gott helfe mir“ heraus, Warwick-Rex berührt keine Stange und nimmt den letzten Oxer, der Mühlener reißt sich die Kappe vom Kopf – Deutschland hat 20 Jahre nach Stockholm und Hans Günter Winkler auf Halla wieder einen Olympiasieger.

 

Und während in Mühlen die Glocken für Alwin Schockemöhle läuten, öffnen sich über Bromont die Schleusen des Himmels. In einer wahren Wasserschlacht gewinnt nach Stechen Vaillancourt Silber, Alwins Freund Francois Mathy Bronze, nichts bleibt der Britin, der einzigen Reiterin des Teilnehmerfeldes.

Goldritt auf Yootube

(Der große Pferdemann Alwin Schockemöhle, nun 79 Jahre alt, ist seit Jahren gesundheitlich mehr als angeschlagen. Er lebt mit ständigen Schmerzen und Medikamenten…)

 


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