Der Traum eines kleinen Mädchens (91) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 03. August 2011 um 12:38

Der Schmied, nicht nur zum Beschlagen da...

 

 

Polly war voll glücklich. Sie brauchte diesen Sommer nicht mit der ganzen Familie in den Urlaub zu fahren. Man blieb zuhause. Für Polly bedeutete das, sie konnte jeden Tag von morgens bis abends im Reitstall verbringen. Die meisten ihrer Freunde von der Pony-Abteilung waren auch dort. Sie „chillten“ oder sie ritten. Nur manchmal erwartete der Reitlehrer, dass sie etwas halfen. Aber das war für die Pony-Kinder kein Problem, eher ein Vergnügen. Sie kamen sich dazugehörig vor, nicht einfach nur als zahlende Gäste. Es war ihr Stall.

 

Voller Spannung beobachten sie auch alles, was im Stall passierte, wenn sie sonst normalerweise in der Schule waren. Dazu gehörte der Schmied. Natürlich hatten sie alle den Schmied schon bei der Arbeit gesehen. Aber so richtig eigentlich nicht.

 

Der Schmied war ein überaus großer kräftiger Mann. In seiner groben Wildlederschürze sah er ziemlich bedrohlich aus. Er ging sehr cool mit den Pferden um. Da gab es nichts von Streicheln und freundlichen Worten zu den Tieren. Der Schmied gab kurze Kommandos: „Geh rum!, Zurück!, Gib schon den Huf!“ und so weiter. `Dabei drückte er seine riesengroße Pranke an den jeweiligen Körperteil des Pferdes, so dass es keine andere Chance hatte, als dem Kommando zu folgen. Es war faszinierend dem Schmied zuzuschauen. Außerdem hatte der Schmied einen Helfer dabei. Der sah genauso Furcht einflößend aus. Er hielt meistens die Beine des Pferdes hoch, damit der Schmied an den Hufen arbeiten konnte, ausschneiden und so.  Die Kinder hielten Abstand zu den Schmieden. Außerdem glühten die Hufeisen so hell, dass sie in der Flamme kaum mehr zu sehen waren. Dieses mega heiße Eisen wurde mit einer langen Zange aus dem Feuer geholt und direkt auf den Huf legt. Dabei zischte es bedrohlich, es qualmte stark und roch noch stärker. Polly wollte es nicht stinken nennen, denn eigentlich mochte sie den Geruch von verbranntem Horn.

 

Nach seiner Arbeit ging der Schmied mit seinem Helfer noch mal in die Tränke. Sie tranken aber beide nur Wasser. Auch wenn die anderen Leute dort ihnen ein Bier ausgeben wollten, blieben die starken Männer standhaft: „Ein Wasser ist genug für uns. Wir müssen noch woanders arbeiten.“ Dabei bemerkten die Kinder, dass die Schmiede eigentlich sehr nett waren. Zu den Kindern und den Leuten im Stall waren sie viel netter, als zu den Tieren. Nicht wieder zu erkennen, fand Polly.

 

Letztes Mal, als der Schmied in den Stall kam, hatte er sich an seinem scharfen Hufmesser geschnitten. Ein junges Pferd wollte nicht ruhig stehen bleiben. Der Helfer versuchte mühsam, das eine Bein aufzuhalten, damit der Schmied den Huf kürzen und ausschneiden konnte. Das ging soweit, dass das Tier sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Helfer stützte, um einen Schritt zur Seite zu machen. Dabei hatte es sich so toll  bewegt, dass dem Schmied das Messer abrutschte und er sich selbst am linken Arm verletzte. „Aufhören!“ brüllt er,  und der Helfer setzte schnell das Pferdebein auf den Boden.

 

Es floss Blut. Jetzt aber auch nicht sooooo schlimm, fand Polly. Dennoch, der Schmied lief sofort zu seinem Wagen, um den Notfallkoffer herauszuziehen. Der lag nämlich unter den Kartons, in denen sich die ganzen verschiedenen Nägel befanden. „Hilf mir mal“, schnauzte er seinen Helfer an. Der musste mit einem braunen Zeug die Wunde auswischen. Der Schmied schrie auf vor Schmerz, als der Helfer mit der Lösung an die Wunde kam. Polly schaute sich die grüne Plastikflasche genau an. Die Flüssigkeit hieß „Betaisodona Lösung“. Die musste wohl so fürchterlich brennen, dass sogar so ein großer Mann davon Tränen in die Augen bekam und ein olles Taschentuch benutzen musste.

 

Als der Schmied versorgt und ein ganz großes Pflaster über den Schnitt geklebt war, setzte er seine Arbeit an dem jungen Pferd fort. Dabei erklärte er den umstehenden Kindern, die von dem Schauspiel beeindruckt waren, dass jede Wunde sofort ordentlich desinfiziert werden sollte. Eine Entzündung kann ganz gefährlich werden. Es kann sogar zu einer Blutvergiftung oder sogar zu einer Amputation kommen. Das hieße, man würde unter Umständen sogar einen Finger oder Gliedmaße verlieren. In einem Stall ist immer Dreck und es gibt Keime. Polly erschauderte bei dem Gedanken. Von nun ab würde sie bei einer noch so kleinen Verletzung an die Worte dieses Schmiedes denken.

 

An diesem Tag blieben die Kinder dabei stehen und sahen den Männern weiterhin zu, wie sie das junge Pferd beschlugen. Sie konnten nicht einfach weggehen, sie mussten bis zum Schluss dableiben, obwohl es sehr lange dauerte. Länger als bei den anderen Pferden des Reitstalles. Die blieben aber auch ganz lieb stehen. Für Polly stand fest: das junge Pferd hatte Angst. Sie konnte es an seinen Augen sehen. Das Tier tat ihr mehr leid als der Schmied mit seiner Verletzung. Zum Schluss schien das Pferd aber resigniert zu haben. Es ließ die Prozedur über sich ergehen. Es gab die Hufe wie es von ihm erwartet wurde. Polly nahm am Ende den Strick und führte es in seine Box. Hierbei streichelte sie es und beruhigte es mit lieben Worten. Der Schmied war aber auch lieblos gewesen!

 

Dieser spezielle Tag war sehr aufregend verlaufen. Während die Kinder sich in der Schmiede aufgehalten hatten, brachte ein Transporter ein neues Pony. Es war kohlrabenschwarz und ungefähr so groß wie Michi. Der Reitstall Hubertus hatte sein zweites Doppelpony für den Schulbetrieb bekommen. Die Kinder standen um die Box mit dem Neuankömmling herum und begutachteten es eingehend. Es handelte sich um einen Wallach. Das war offensichtlich. Der Schweif und die Mähne waren ungepflegt und viel zu lang. Das Fell wirkte mehr  grau als schwarz. Am liebsten hätten die Mädchen das neue Pony sofort geputzt und gepflegt. Der Reitlehrer wies die Kinder an, zwei Stunden zu warten, um dem Pferdchen eine Eingewöhnungszeit zu geben. Aber die Kinder durften ihm etwas Heu in de Box geben.

 

Es waren die längsten zwei Stunden ihres Lebens! Immer wieder musste Petra auf  ihre Armbanduhr schauen und Mitteilung über die Ziet machen. Die Zeiger schienen nicht vorwärts zu rücken. Zwischendurch holten sich die Kinder schon mal das Putzzeug, Getränke oder Schokoriegel. Den Jungs dauerte es zu lange. Sie gingen raus. Pferdeputzen war sowieso Mädchenkram.

 

Die zwei Stunden waren fast herum, als Anne sich Michis Strick und Halfter nahm, zu dem neuen Pony in die Box ging und ihm das rote Halfter über die Ohren streifte. Dabei blieb das Pony brav stehen und ließ sich dann ruhig aus der Box führen und auf dem Putzplatz anbinden. Es schien an Halfter und Führstrick gewöhnt zu sein.

 

Anne fing mit Auskratzen der Hufen an. Petra wollte den Schweif verlesen und später ein Stück abschneiden. Polly nahm sich das schwarze Fell vor. Hierzu

holte sie sich einen nicht zu harten Gummistriegel aus dem Putzkoffer. Sie nahm den Striegel in die rechte Hand mit der linken schob sie die Hähne beiseite, um oben anzufangen. Sie erschrak! So was hatte sie noch nie gesehen: das Pferd hatte unter der Mähne eine große Wunde, in der so weiße Dinger waren. Die bewegten sich sogar. Polly ließ einen Schrei. Anne war sofort losgelaufen, als sie das sah,  um Herrn van Hopps zu holen. „Das sind lebende Maden. Wir müssen den Tierarzt rufen“, stellte der Reitlehrer fest und nahm sofort sein Handy heraus.

 

„Es wird ein paar Stunden dauern, bis der Tierarzt hier sein kann“ sagte er beunruhigt. Die Kinder ekelten sich vor dem unappetitlichen Anblick. Eine Wunde voll mit Maden.

 

Da erinnerte sich Polly daran, was vorhin der Schmied gesagt hatte von Wunden und Entzündungen und so. Sie lief schnell zur Schmiede. Gott sei Dank! Der Schmied war noch da. Er räumte noch sein Zeug in das Auto. Polly erzählte im ganz aufgeregt, was gerade im Ponystall los war. Der Schmied ging erst zum Wagen, dann folgte er Polly zu dem neuen Pony.

 

„Kein Problem! Ich mache das“, sagte er sehr ruhig. Dabei sprach er sehr liebevoll auf das Pony ein. Er säuberte die Wunde mit schneeweißer Watte. Dabei holte er die Maden heraus, die auf den Stallboden fielen. Voll ekelig!!! Zum Schluss nahm er das grüne Fläschchen, das er für sich selbst benutzt hatte. Mit der Betaisodona Lösung desinfizierte er auch diese Wunde des Tieres. Polly war erstaunt: für Tiere die gleiche Medizin wie für Menschen! Das fand sie toll.

 

„Der Tierarzt kann ja später noch mal danach schauen. Auf jeden Fall würde ich die Mähne soweit kürzen, dass Luft an die Wunde kommt. Die muss nun regelmäßig sauber gemacht werden. Ich lass Euch mein Beta da. Das ist  wichtig.“, sagte der Schmied, als er fertig war. Von Herrn van Hopps hörten die Kinder nun, dass der Schmied Peter hieß.

 

Hoffentlich würde nicht jeder Ferientag im Reitstall Hubertus soviel Aufregung mit sich bringen, dachte Polly und nahm einen großen Schluck Cola.

 

(Fortsetzung folgt......)

 

 

 

 

 

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