Der Traum eines kleinen Mädchens...(97) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 14. September 2011 um 13:13

Reiten auf einem Privat-Pferd...

Das neue Schuljahr hatte ohne große Veränderungen begonnen. Die Klasse saß zwar in einem neuen Zimmer, die Lehrer waren die gleichen geblieben. Pollys Stundenplan hatte sich bis auf wenige Verschiebungen nicht verändert. Die Klassenlehrerin wies die Schüler aber daraufhin, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass noch weitere Fächer hinzu kämen. Für Polly war das nur in eine Richtung wichtig, weil sie nämlich nachmittags in den Reitstall wollte. Außerdem, so meinte die Lehrerin, müssten sich alle in diesem Jahr sehr anstrengen, weil nämlich an den Leistungen auch die Zukunft der Schüler gemessen würde.

 

Polly gähnte vor Langeweile. Ihr kam das Gelabere der Lehrerin als verschwendete Zeit vor, und die hätte man doch lieber bei den Pferden verbringen können. Aber bei dem Wort „Leistung“ wurde sie dann doch noch wach: Leistung? Das war doch ein Begriff aus dem Sport! Und Reiten war Sport. Mit Schule hatte das nichts zu tun, fand Polly. Und schon schweiften ihre Gedanken ab: in den Reitstall, zu den Ponys und ihren Freunden.

 

Mittlerweile war die Anzahl der Pony-Kinder, die sich nicht nur an ihren Reit-Tagen im Stall trafen, immer stetig gestiegen. Mehr als fünfundzwanzig Kinder trafen sich regelmäßig, auch nach den Pony-Stunden und in ihrer Freizeit.

 

Die Kinder kamen nicht aus einer Klasse, nicht einmal aus der gleichen Schule. Polly und Anne waren das einmal gedanklich durchgegangen und stellten fest, dass aus allen Schulen der Stadt, die sie kannten,  mindestens ein Kind in den Reitstall Hubertus kam.

 

Die beiden Mädchen spannen ihre Gedanken weiter. Dabei stellten sie fest, dass es einen Zusammenhang zwischen der Art der Schule, den Berufen der Väter und den Autos, die sie fuhren, bestand. Das allein interessierte Anne und Polly überhaupt nicht. Was aber auffallend war, zeigte der Umstand, dass es diesen Zusammenhang auch darin gab, wer ein eigenes, ein gemietetes Pferd besaß, oder wer nur auf Schulpferden ritt.

 

Bei ihren Freunden von der Pony-Abteilung ließ sich sogar ein Bezug zu der Coolness ihrer Fahrräder herstellen, mit denen die Kinder in den Stall fuhren.

 

Die beiden Mädchen führten ihren Gedankengang noch weiter aus. Schule war nur ganz am Rande ein Thema, das sie untereinander im Reitstall diskutierten. Aber da die Vergabe der Zeugnisse vor den Großen Ferien noch nicht allzu lange her war, wussten sie noch in etwa, wer von ihnen gute Noten hatte und wer nicht. Bei dem einen oder anderen aus ihrer Clique vermuteten sie wohl, dass er oder sie von besseren Noten redete, als sie tatsächlich im Zeugnis standen. Sie fanden heraus, dass die mit den eigenen Ponys auf  seltsame Weise auch noch relativ gut in der Schule waren. Polly und Anne wollten das zunächst nicht glauben. Sie waren sogar richtig erleichtert darüber, dass es  auch da Ausnahmen gab. Anne zum Beispiel. Sie würde niemals ein eigenes, oder auch nur gemietetes Pony erhalten.

 

Petra gehörte auch zu diesen Ausnahmen. Bei der war alles toll. Sie hatte schon lange ein eigenes Pony: Diana. Aber über ihre schulischen Erfolge redete sie kaum. Das kam den Freundinnen verdächtig vor. Gab Petra doch sonst immer so an, wie toll sie war. Sie hielt sich für die beste Reiterin von allen Ponyreitern des Stalles.

 

Stimmte aber eben nicht! In diesem Punkt waren sich Polly und Anne einig. Gerade im Fall Petra. Deren Vater war Arzt, fuhr ein dickes Auto und hatte viel Geld. Für ihn stand fest, dass seine Tochter mal Abitur machen würde.

 

Aber reiten konnte Polly viel besser. Anne auch. Man müsste Petra nur mal auf ein Schulpony setzten, wahrscheinlich würde sie „verhungern“ darauf. Keinen Schritt würde sie reiten können. Oder runterfallen würde sie. „Außerdem wird Diana ja regelmäßig von Aggi beritten“, fügte Polly noch hinzu und meinte: „Ohne den Beritt durch Aggi  würde Petra ihr eigenes Pony nicht geregelt bekommen.“

Die beiden Mädchen lachten. Lästern machte solchen Spaß!

 

 

„Gott sei Dank hatte der Sport nicht nur mit Schule und Geld zu tun. Man kann ein Spitzensportler sein, ohne Reichtum der Eltern“, fügte Polly noch hinzu. „Erfolg ist vom Können abhängig, nicht von Kohle“, bestätigte Anne. „Und wir zwei können reiten! Auf jedem Pony!“, schloss Polly das Gespräch.

 

Polly musste sich eingestehen, dass Lästern mit einer gleichgesinnten Freundin toll war. Hoffentlich würden die anderen nicht so über sie so herziehen. Das würde ihr nicht gefallen. Sie wagte nicht, bei Anne deswegen nachzubohren. Sie fürchtete die Antwort.

 

Am Tag nach diesem fast philosophischen Gespräch zwischen den beiden Pony-Mädchen wartete eine große Überraschung auf Polly. Als Herr van Hopps, Vater von Aggi, Polly in den Stall kommen sah, rief er sie sofort zu sich. Mit einem Mal hatte Polly ein schlechtes Gewissen. Konnte der Reitlehrer etwa was von der Lästerattacke gegen Petra wissen? Alle wussten, dass der Reitlehrer ein Faible für Petras Mama hatte. Es wäre für Polly und Anne ganz schlecht, wenn der èine Ahnung hätte, was sie gestern so von sich gegeben hatten.

 

Polly schaute sich suchend nach Anne um. Die war nicht zu sehen. Noch  nicht da? Oder schon im  Kabuff? Es half nichts, Polly musste dahin gehen.

 

Herr van Hopps wartete schon. „Der Vater von Petra musste auf einen Kongress nach New York. Frau Dimmer ist mitgeflogen. Deswegen muss Petra ein paar Tage bei ihren Großeltern wohnen und kann nicht kommen“, sagte Herr van Hopps.

 

„Hat tatsächlich was mit Petra zu tun“, schoss es Polly durch den Kopf. Sie fing an zu schwitzen. Das schlechte Gewissen drückte. Ihr Blick richtete sich auf den verdreckten Kabuff-Boden. Jeden Krümel nahm sie wahr. Hätte sie doch nur das Maul gehalten. Und Anne auch. Nun hatten sie den Salat. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen.

 

„Aggi muss arbeiten. Aber jemand muss sich um Diana kümmern. Es war Petras ausdrücklicher Wunsch, dass Du das machst, Polly - wenn Du willst.  Du sollst Diana pflegen. Dafür darfst Du auch jeden Tag reiten“, fuhr er fort. „Wen darf ich denn reiten?“, fragte Polly ganz eifrig, weil sie nämlich nur „pflegen“ gehört hatte.

 

„Diana natürlich. Worüber reden wir denn?“, entgegnete der Reitlehrer ungeduldig. Aber Du darfst sie nur in den Pony-Schulstunden reiten, wenn ich das beaufsichtigen kann. Nicht in den Freistunden“, sagte er.

 

Polly blieb der Mund offen stehen. Sie durfte, nein – sie sollte Diana reiten!!!! Das war doch nicht möglich. Petra war so eigen mit ihrem Pony. Da durfte keiner drauf. Und jetzt sollte sie, Polly, das heilige Pony von Petra reiten. Natürlich wollte sie! War es doch etwas ganz besonderes. Unter  allen Kindern hatte Petra höchst persönlich sie dazu ausgesucht. Na, wenn das nicht voll cool war…….

 

Schon gleich beim Anreiten in der Bahn merkte Polly, dass Diana schnell auf ihre Hilfen reagierte. Es fühlte sich auf dem Privat-Pony so an, als führe sie ein leichtes Rennrad anstelle eines Mountain-Bike. Ganz anders, als bei den Schulponys, die Polly kannte.

 

Sie sollte auch gleich die Tete übernehmen. Dabei war sie noch voll damit beschäftigt, sich an das fremde Pony zu gewöhnen,  als sie auch schon antraben und leicht traben sollten. Polly gab eine Parade und drückte die Schenkel an das Pferdchen und schon war Diana im Galopp. Polly musste durchparieren zum Trab. So leicht war noch kein Pony auf die erste Hilfe hin angaloppiert. Normalerweise musste man die kleinen Pferdchen immer ganz doll antreiben, damit sie überhaupt erst mal schneller wurden. Meistens trabten sie dann so schnell, dass sie in den Kurven in den Galopp fielen. Diana sollte jetzt aber erst einmal traben.

 

Mit Diana war alles ganz anders: Bei vorschriftsmäßiger Hilfengebung, also äußerer Schenkel zurück,  gleichzeitig Parade am äußeren Zügel und Druck mit dem inneren Schenkel, sprang sie im Galopp an.

 

Polly war sich sofort im Klaren, dass sie mit ihren Hilfen ganz  vorsichtig umgehen musste. Diana reagierte unmittelbar. Sie war viel feiner zu reiten. Für Polly war es eine ungeheure Umstellung vom Schulponys auf ein Privat-Pferd.

 

Es machte ihr riesigen Spaß. Sie würde es schon hinbekommen. Die Fein-Abstimmung war das wichtigste. Währen dieser Reitstunde klappte es langsam immer besser. Polly deutete ihre Reiterhilfen nur ganz vorsichtig an, und Diana lief wie am Schnürchen. Polly konnte es sich in Petras tollem Marken-Sattel bequem machen. Der fühlte sich auch ganz anders an als die Schul-Sättel. Polly konnte ihre Beine viel besser und vor allem ruhiger ans Pferd legen. Die Zügel waren hübsch geflochten und überhaupt nicht hart. Petra hatte es schon gut…

 

Aber erstmal hatte Polly es gut. Die nächsten Tage gehörte Diana ihr. Und sie würde alles daran legen, dass Petra ein überaus gepflegtes und toll gerittenes Pferdchen wiederbekam.

 

Polly bereute nun, so schlecht über Petra geredet zu haben. Hoffentlich würde das nie herauskommen. Das hatte Petra nicht verdient, egal wie sie sonst so drauf war. Polly wollte das entgegengebrachte Vertrauen nie vergessen und alles dafür tun, dass sie es Petra recht machen würde.

 

Abends, im Bett, wunderte Polly sich immer noch sehr, dass Petra ausgerechnet sie ausgesucht hatte. Konnte es möglich sein, das ihr Können den anderen Kindern nicht verborgen geblieben war?

 

(Fortsetzung folgt…….)

 

 

 

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