Der Traum eines kleinen Mädchens (22) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Dienstag, 23. März 2010 um 13:18

Für Polly ist nichts wie gewohnt

22. Kapitel

 

Vergangenen Sonntag war alles anders.

 

 

 

 

 

Nicht nur Mama und Pollys kleine Brüder kamen letzten Sonntag mit in den Reitstall, sondern auch Papa. Der war noch nie dort gewesen, auch nicht an einem Mittwoch. Bisher war Polly immer nur Mittwochs zur Pony-Reitstunde dorthin gefahren worden. Die beiden Brüder hatten auch schon mal geritten. Aber nicht so oft wie Polly.

 

Polly musste laut loslachen, als die ganze Familie den Reitstall betrat. In dem Moment, als sie durch das große Tor in den Stall traten, verzog Papa das Gesicht. Er sah zu komisch aus. Er rümpfte die Nase. Polly erinnerte sich daran, wie sie das erste Mal hierher gekommen war und den Geruch der Pferde wahrnahm. Für sie gehörte der Geruch zu der Welt, die sie liebte. Sie verband ihn mit Lisa, ihrem Lieblingspony, und den anderen Pferdchen. Es gab keinen schöneren Geruch als Stallluft.

 

Diese Welt, in der sie sich als siebenjährige wie selbstverständlich bewegte, wollte sie heute ihrem Vater zeigen. Dazu lief sie ganz aufgeregt vorneweg, direkt in den Ponystall zu Lisa. "Das ist Lisa. Sie ist das beste Pony der Welt", rief sie ihrem Vater zu. Sie wollte ihn an der Hand zu dem Pony ziehen. Papa aber zögerte,  wollte nicht so recht. "Er wird doch keine Angst haben vor einem kleinen Pferd?" dachte Polly und zog an ihrem Vater. "Das konnte doch nicht wahr sein! Ein erwachsener Mann Angst vor einem Pony. Und sie, die kleine Polly, ging mutig und ganz natürlich mit den großen Tieren um!", dachte sie weiter und verstand gar nichts mehr. Scheinbar hatte ihr Papa doch tatsächlich Angst.

 

Jetzt erst fiel Polly auf, dass sonst keiner im Ponystall war. Sie sah niemanden. Der Stall war leer. Die Ponys mampften ruhig ihr Heu. Ihre Freunde waren nicht da. Da fiel Polly ein, dass Herr van Hopps, der Reitlehrer, ihr beim letzten Mal gesagt hatte, dass wahrscheinlich  Sonntags kein Ponyreiten stattfand. Sie war enttäuscht. Für Polly war klar gewesen, dass sie heute reiten würde. Ein Aufenthalt im Reitstall ohne Reiten konnte sie sich einfach nicht vorstellen. Sie hatte sich wohl getäuscht.

Die anderen waren schon vorgegangen Richtung Reithalle. Polly zog erst noch ein Zückerchen aus ihrer Anoraktasche und reichte es Lisa, die kurz das Heumampfen unterbrach, sich zu Polly umdrehte, um die Süßigkeit zu nehmen. Dann rupfte das Pony wieder am Heu.

 

Polly lief den anderen hinterher. In der Reithalle standen die Kinder wie aufgereiht an der Bande. Polly war erleichtert: ihre Freunde waren doch da. Polly wunderte sich, in der Reithalle lief Musik. Nicht solche Musik, wie sie aus dem Radio kannte, sondern Militärmusik, Marschmusik. Dazu ritten Erwachsene auf Großpferden. Der Reitlehrer saß auf seinem herrlichen Schimmel Sperber. Schneeweiß war der. Bisher hatte Polly dieses Pferd nur im Stall gesehen. Es war das erste Mal, dass sie den Reitlehrer auf seinem Pferd in der Reithalle sah. Wunderschön! Wie der Prinz aus einem Märchen. Nur Herr van Hopps war nicht so schön wie ein Prinz. Bei Joachim wäre das anders...

 

Polly begrüßte ihre Freunde und stellte sich dazu. Jetzt erst bemerkte sie, dass die Reiter in der Bahn gar nicht in einer Abteilung hintereinander herritten, sondern manchmal trennten sie sich, kamen wieder zusammen. Mal war der eine an der Tete, mal ein anderer. Polly erschien es erst wie ein großes Durcheinander in der Bahn. Dann erkannte sie, dass die Reiter bestimmte Figuren ritten nach Kommandos, die sie noch nie gehört hatte. Und alles passte zur Musik. Sie wollte die anderen darauf aufmerksam machen "Das sieht aus wie beim Tanzen. Es passt zur Musik", sagte sie. Da lachten alle und schauten sie an. "Das ist Musikreiten. Das machen die jeden Sonntag", sagten sie und lachten laut. Die Kinder hatten Spaß. Dass Polly das nicht wusste...

 

"Warum steht ihr hier alle rum? Können wir nicht unsere Ponys fertig machen?, fragte Polly hoffnungsvoll, dass sie eventuell nach den Erwachsenen reiten könnten. "Heute ist keine Stunde", sagte Harald, ohne zu wissen, was er damit bei Polly anrichtete. "Nur manchmal dürfen wir Sonntags nach den Großen in die Halle. Kommt drauf an, ob die Ponys in der Woche viel geritten wurden", sagte Harald ergänzend. Anne meinte dazu: "Kommt auch drauf an, was van Hopps für ne Laune hat. Wenn die nachher in der "Tränke" sind und haben gute Stimmung, müssen wir fragen, manchmal dürfen wir schon reiten und brauchen dann auch nicht zu bezahlen." "Ich darf immer reiten", krähte Petra dazwischen. Klar,  die Diana war ja ihr eigenes Pony. "Ich auch", rief Rolf. "Wieso Du denn?" fragte Polly, davon ausgehend, dass Rolf einfach nur angab. "Der Rih gehört mir!" sagte der keck. "Stimmt nicht!" fuhr Harald ihn an. "Ihr habt ihn nur gemietet. Rih gehört immer noch dem Stall", stellte er die Sachlage klar. "Was heißt gemietet?", fragte jetzt Polly interessiert. "Man zahlt jeden Monat Geld an den Stall, dann darf man reiten, wann man will und solange man will. Kein anderer darf dann mehr auf das Pferd", erklärte Harald und ließ wieder den Stallbesitzer raushängen. Dabei war der auch erst acht Jahre alt, wie alle wussten.

 

"Die sind gleich fertig. Ich kenne die Musik, weiß, wann die Platte zu Ende ist. Dann hören die auch auf, zu reiten", rief Anne ihnen zu und wurde lebhaft. Sofort drehten sich alle zur Bahn und erwarteten das Kommando "Anfang rechts dreht, links marschiert auf!" Ja, das kannte Polly auch von den Ponystunden. Im gleichen Moment brüllte der Reitlehrer das Kommando. Die großen Pferde hielten in der Mitte der Bahn an, die Erwachsenen klopften ihre Pferde ab, da riss Anne schon die Bahntüre auf und lief auf Sperber zu, Harald, Petra, Rolf und sogar die 5-jährigeMaria liefen zu den Großpferden hin. Polly wusste nicht, was das sollte, da sah sie, dass die Reiter die Kinder auf die Pferde hoben. Auf die großen Pferde! Polly konnte es nicht fassen, damit hatte sie nicht gerechnet. Neidisch schaute sie auf ihre Freunde. Keiner von denen hatte sie mehr beachtet. Sie stand alleine an der Bande und musste den anderen zusehen.

 

Anne saß nun auf dem edlen Sperber. Dabei hatte Polly immer gedacht, dass keiner, außer dem Reitlehrer selber, dieses herrliche Tier reiten dürfte. Das musste ein Traum sein. Die Anne hatte ein Glück. "Nur im Schritt, hört ihr?!" rief Herr van Hopps beim Verlassen der Bahn den trockenreitenden Kinder zu.

 

Schwatzend und lachend gingen die Erwachsenen zur "Tränke" an Polly vorbei. Herr van Hopps holte seine Dose Hustenbonbons heraus und hielt sie Polly hin. "Nimm Dir", forderte er sie auf. "Das nächste Mal kannst Du auch für die Großen trocken reiten", sagte er und ging in die Reiterstube.

 

"Wenigstens etwas! Aber bis nächsten Sonntag dauerte es ja noch so lange", dachte Polly. Sie war sehr, sehr enttäuscht. Sie fühlte sich ausgestoßen. Lisa würde sie trösten. So ging sie in den Ponystall. Dort hockte sie sich in Lisas Box und holte ein Zückerchen nach dem anderen aus der Tasche und hielt sie dem Pferdchen hin. Lisa fühlte die Traurigkeit von Polly. Sie nahm die dargereichten Zückerchen besonders vorsichtig von Pollys Hand.

 

Heute, drei Tage später, fanden die normalen Ponystunden statt. Polly durfte ihre Lisa reiten. Die Enttäuschung war verflogen. Die Vorfreude, vielleicht am kommenden Sonntag mal ein großes Pferd trocken reiten zu dürfen, überwog alles andere dieser Woche. Man stelle sich vor: Polly auf einem großen Pferd...

 

(Fortsetzung folgt...)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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