"Der Sieg im Derby ist wie ein Ritterschlag..." Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Sonntag, 12. April 2020 um 17:37

Vor sieben Jahren ging der Lebenstraum des waschechten Amateurs Gilbert Tillmann aus Grevenbroich in Erfüllung, als der Hufbeschlagschmied auf dem namenlosen irischen Wallach Hello Max das Derby gewann

(Foto: Kalle Frieler)

Hamburg. In sechs Wochen sollte das 100. Deutsche Springerby in Hamburg stattfinden, ein großes Fest plante Turnierchef Volker Wulff mit den Hanseaten in Klein Flottbek. Doch dann kam „Corona“ über die Welt, und nun ist alles anders als gedacht - und alles wird nie mehr so sein wie bisher, auch nicht im Sport. Sicher ist nur: Das kommende Derby ist das 100. seit 1920…

 

Kein Springreiterturnier der Welt ist so in so einer rumvollenTradition verfangen wie das Deutsche Springderby. Alle ähnlich gelagerte Wettbewerbe wie in Hickstead, in Valkenswaard, in Hilversum, in Calgary oder in La Baule sind – bis auf das englische Hickstead – nur Abklatsch, und meist auch noch schlecht kopiert. Der Titel Derby ist in vielen Fällen fast eine Versündigung am Deutschen Derby m Hamburger Stadtteil Klein Flottbek unweit der noblen Wohngegend Blankenese mit Blick auf die Elbe.

Nach wie vor in der Planung und im Kopf der Veranstalter haftet weiter für 2020 das Derby mit Springen und dem 1955 angeschlossenen Derby auch in der Dressur. Wann, ist ungewiss, der Sport hat da kein Sagen mehr, die Politik bestimmt, wann allgemein das normale Leben wieder beginnt. Der Platz bleibt jedenfalls wie bekannt, und auch die Linienführung wird keine Änderung erfahren. Doch viele Hindernisse wurden längst pferdefreundlicher entschärft. Wegen der Länge der Bahn und wegen der teils sehr ungewohnten Sprünge gilt der Kurs als sehr schwierig. Wer den Kurs und derartige Hindernisse nicht im Training angeht, ist in Hamburg chancenlos.

Der weltbekannte Parcoursbauer Frank Rothenberger nennt den Aufbau und die Linienführung des Deutschen Springderbys eine revolutionäre Idee. Erfinder ist der Hamburger Kaufmann Eduard F. Pulvermann. Seit dem 26. Juni 1920 wird die Prüfung immer über den gleichen Kurs ausgetragen, über eine Länge von 1250 Meter mit 17 mehr oder minder natürlichen Hindernissen, die der Holsteinischen Landschaft entnommen sind. Nur drei Oxer müssen überwunden werden, und es gibt lediglich einen „Handwechsel“, das heißt eine Richtungsänderung, nach dem Doppel-Birkenrick als zehnter Hürde von rechts nach links.

Frank Rothenberger, in Hamburg seit 1994 Chef der Hindernislandschaft, sagt weiter: „Beim Derby in Hamburg liegt die Schwierigkeit in der Einfachheit.“ Es sind neben der Länge des Parcours die Hindernisse, die in Prüfungen des modernen Springsports nirgendwo mehr zu finden sind, wie zum Beispiel der „Große Wall“ beim Abgang nach vorne in Richtung weiße Planke drei Meter steil abfällt, oder das sogenannte Pulvermanns Grab. Hindernis Nummer 14, vorne ein 1,50 m hoher Steilsprung, etwas tiefer gelegen ein 2 m breiter Wassergraben, danach ein Rick als Aussprung. Manche glauben, dort habe Eduard Pulvermann seine letzte Ruhe gefunden. In Wahrheit hatte damals beim Bau des Hindernisses ein Arbeiter zu Pulvermann gesagt, da käme ja keiner heil drüber…So entstand der Ausdruck „Pulvermanns-Grab“. Eduard F. Pulvermann, Offizier im Ersten Weltkrieg, der nie selbst das Derby gewann und bei der Premiere 1920 auf dem irischen Wallach Tristan Sechster wurde, starb am 9. April 1944 im Gefängnis-Lazarett Hamburg-Langenhorn. 

Das Ungewöhnliche am Derby ist auch gleichzeitig sein Reiz. Der Parcours gilt in der Springreiterwelt als eine der größten sportlichen Herausforderungen für Reiter und Pferd. Carl-Friedrich Freiherr von Langen, dessen Leben später verfilmt wurde unter dem Titel „…reitet für Deutschland“, Dressur-Olympiasieger 1928 in Amsterdam, gewann dreimal diese Konkurrenz, Fritz Thiedemann war fünfmal der Beste, Rekordgewinner mit sieben Siegen ist der Brasilianer Nelson Pessoa, Hans Günter Winkler, Hermann Schridde, Hartwig Steenken, Gerd Wiltfang, Achaz von Buchwaldt, Franke Sloothaak, Ludger Beerbaum, Hugo Simon, John Whitaker oder Alwin Schockemöhle, der als Erster zuhause in Mühlen den Wall und Pulvermanns Grab zu Trainingszwecken nachbaute, ließen sich als Derby-Sieger mit der berühmten Blauen Schärpe schmücken, während den Pferden zur Ehrung aus Tradition nach wie vor der Eichenkranz um den Hals gelegt wird.

Nelson Pessoa sagt über einen Erfolg in diesem Wettbewerb: „Der Sieg im Derby ist wie ein Ritterschlag. Der Kurs adelt einen Reiter.“

 

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