Die Zeit wäre wieder einmal gekommen, die Dopingregeln neu zu formulieren Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig/ Dr. Peter Cronau   
Dienstag, 02. Februar 2021 um 19:45

Bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen gewann die deutsche Springreiter-Equipe die Goldmedaille, doch am Ende blieb „nur“ Bronze. Vielleicht wäre alles anders gelaufen, zieht man den Artikel „Doping mit der Wundsalbe“ in der neuesten Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ heran…

 

Beim Turnier 2010 in Zürich sagte Marco Kutscher: „Das war das Größte in meinem sportlichen Leben, die Atmosphäre, dann geehrt zu werden als Olympiasieger, oben zu stehen auf dem Podest…“ Kutscher mit Montender gehörte zum Springreiter-Team zusammen mit Christian Ahlmann auf Cöster, Otto Becker auf Centro und Ludger Beerbaum auf Goldfever, das bei den Olympischen Sommerspielen in Athen 2004 mit lediglich acht Strafpunkten überlegen die Goldmedaille gewann. Die Tage des Ruhms zerstoben wenige Wochen später wie eine Wasserfontäne, die von einer Sturmböe erfasst und niedergedrückt wird.

Goldfever war nach dem Springen bei der Dopingkontrolle positiv getestet worden, und die Equipe wurde nach dem Reglement auf den dritten Rang zurückgestuft. Ahlmann, Kutscher und Becker mussten die Goldmedaillen in bronzene Plaketten eintauschen, Beerbaum wurde disqualifiziert und durch die Juristische Kommission des Reiter-Weltverbandes (FEI) aus den Platzierungslisten des Team- und auch Einzelwettbewerbs – 16. Platz - gestrichen.

Schwammige FEI-Regeln

Der deutsche Rekord-Nationen-Preisstarter legte Veto ein und zog bis vor den obersten sportlichen Gerichtshof CAS, den Court of Arbitration for Sport in Lausanne, dort wurde jedoch der Einspruch abgewiesen. Beerbaums Pferd Goldfever war wegen eines Ekzems vor dem Mannschaftsspringen mit einer Hautsalbe behandelt worden, die Bethametason enthielt. Bethametasonhaltige Präparate dürfen bei Wettkämpfen nur mit Bewilligung des Internationalen Pferdesportverbandes (FEI) verwendet werden. Im Falle von Goldfever war eine solche Bewilligung nicht eingeholt worden. Der CAS stellte jedoch auch fest, dass die anwendbaren Regeln der FEI nicht klar festlegten, ob in solchen Fällen eine Disqualifikation zwingend ausgesprochen werden müsste. Die unklare Regel der FEI müsse deshalb eng und damit zu Ungunsten von Ludger Beerbaum ausgelegt werden, die Disqualifikation sei wegen der Behandlung von Goldfever mit einem nicht genehmigten Medikament aufrecht zu erhalten.

Die Rechtskommission der FEI hatte zuvor aber ebenfalls ausdrücklich anerkannt, dass Goldfever durch die Hautsalbe keinen Wettbewerbsvorteil erlangt hatte, dass die Behandlung vom tierärztlichen Standpunkt gerechtfertig war, dass sich Beerbaum keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollte und die Behandlung  dem Wohle des Pferdes dienen sollte.

Goldfever – heute noch Dopingfall?

17 Jahre später und mit dem Wissen von Heute wäre der Fall „Goldfever“ möglicherweise in eine ganze andere Richtung verlaufen, legt man den Artikel „Doping mit der Wundsalbe“ im Magazin Der Spiegel (Ausgabe Nr.5/ 2021) zugrunde. Danach hat 2013 der Radrennprofi Stefano Agositini aus Italien seinen bei einer US-Rundfahrt aufgescheuerten Po mit der Hautsalbe Trofodermin eingerieben, wie ihm der Hausarzt geraten hatte. Als am nächsten Tag die Dopingkontrolleure, die ja inzwischen weltweit und ohne Anmeldung unterwegs sind,  bei ihm klingelten und eine Urinprobe mitnahmen, setzte er auf eine Liste auch die Hautsalbe. Einen Monat später sperrte ihn die Internationale Radsportföderation vorläufig und dann für 15 Monate. Im Trofodermin waren Spuren des verbotenen Mittels Clostebol gefunden worden, das auf der Liste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) steht. Wie Agostini ging es in den letzten Jahren mehreren Spitzenathleten, Sie alle waren auf Clostebol positiv getestet worden.

Eine Gruppe der renommiertesten Forscher Italiens beschäftigt sich nun damit herauszufinden, ob sich bei den Abbauprodukten im Urin  eines Sportlers Hinweise ergeben, dass Clostebol oral oder über die Haut in den Körper gelangte, oral wäre Doping. Eindeutige Beweise liegen noch nicht vor, schreibt das Blatt, aber die Forscher wollen vorschlagen, winzige Rückstände von Clostebol, das früher mal zum Muskelaufbau im Umlauf war, sollten nicht mehr weiter als Doping verfolgt werden. Eines haben die Forscher bereits herausgefunden, dass Clostebol allein über das Händegeben weitergegeben werden kann. Einem Probanden waren nämlich eine halbe Stunde vor einem Handschlag mit einem anderen fünf Gramm einer Clostebolhaltigen Creme auf die Handfläche gerieben worden – er wurde prompt positiv getestet. Das wäre bei Salben dann möglicherweise auch auf andere Mittel zu übertragen.

Wogegen schon vor Jahren der bekannte Schweizer Advokat Ulf Walz ankämpfte, nämlich Spuren von in Nanogramm gemessenen verbotenen Substanzen als Doping zu bezeichnen und zu bestrafen, gehen nun auch die italienischen Forscher an. Sie sehen sich auf einem guten Weg, wie aus Echos in oberen Etagen von Weltorganisationen zu hören ist. Sollten sie letzten Endes wirklich Erfolg haben, hilft  das Ludger Beerbaum ganz wenig, und den anderen Drei gar nicht. Aber es könnte im nachhinein eine gewisse Genugtuung sein.

Doping: Eine Anmerkung von Dr. Peter Cronau

Das Thema „Doping“ ist so alt wie die Olympischen Spiele der Antike in Griechenland und bei Kaiser Nero aus Rom. Aktuell brummt die Szene und das insbesondere durch das Verfahren gegen den Dopingarzt Schmidt aus Erfurt. Heute ist alles wie damals: Aberglaube, Zaubermittel, Betrug und Bestechung. Der Artikel im Spiegel vom 30.01.2021 beschäftigt sich mit dem Präparat „Trofodermin“ dessen Wirkstoff Clostebol ist. Offensichtlich ist dieser in der Lage, die Hautschranke bei lokaler Anwendung zu überschreiten und in den Organismus einzudringen. Immerhin gab es im Jahr 2019 28 positive Dopingfälle mit Clostebol.

Diese Situation weist auf den Fall „Goldfever“ bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 hin (ich war in Athen auch vor Ort). Bei diesem Pferd wurde der Wirkstoff „Betamethason“ 1 nachgewiesen, was zu folgenschweren Nachwehen führte. Der Reiter begründete den Fall damit, dass eine Salbe an der linken Vordergliedmaße durch die Pflegerin aufgebracht worden war. Dieses schien sowohl dem Judicial Committee als auch dem CAS nicht plausibel genug, Das Pferd wurde disqualifiziert und Deutschland verlor die Goldmedaille im Mannschaftsspringen.

In der Außenbetrachtung wurde jedoch diskutiert, dass das Pferd von einem Tierarzt aus Süddeutschland intraartikulär behandelt worden sei. Dem Reiter wurde die Option nahegelegt, eine Objektivierung des Sachverhalts wahr zu nehmen. Es ist pharmakologisch-analytisch möglich, eine Substanz zu differenzieren, auf welchem Weg (intraartkulär oder perkutan) sie in den Organismus gelangt ist. Einerseits handelt es sich bei der Zusammensetzung um verschiedene Beistoffe (Adjuvantien) andererseits metabolisieren beide im Körper auf unterschiedliche Weise, was massenspektrographisch bewiesen werden kann. Diese Option hat sich der Reiter entgehen lassen.

Entgegen der Meinung von Max Amann („Ludwigs-Pferdewelten“ vom 29. Januar 21) taucht das Wort „Doping“ bereits 1889 in einem englischen Wörterbuch auf. Der Wortursprung entstammt jedoch nicht – wie vielfach angenommen wird – aus dem Englischen. Im Englischen bezeichnet das Wort „dope“ vielmehr einen Menschen, der nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte steht, was im Deutschen so viel wie „Depp“ bedeuten mag. Nach überwiegender Meinung wird die Wurzel des Wortes Doping etymologisch auf einen im süd-östlichen Afrika von eingeborenen gesprochenen Dialekt zurückgeführt. Unter dem Wort „dope“ verstand man damals einen landesüblichen schweren Schnaps, der bei Kulthandlungen der Eingeborenen als anregendes Stimulans verwendet wurde. Über die Buren hat das Wort „dope“ dann Eingang in die englische Sprache gefunden. Am 14.11.1900 war dann zum ersten Mal in der Zeitung „Daily News“ von „Doping“ die Rede. Zitat aus „Doping im Pferderennsport“ von Walter Ditz“.  

Anmerkung

1. Betamethason-17-valerat gehört in der Wirkstärkeskala der Glucocorticoide zu den stark wirksamen Externsteroiden (Klasse III). Allgemein werden bei den Glucocorticoiden vier Wirkstärken in den Klassen I bis IV unterschieden. Die Einteilung der Wirksamkeit erfolgt dabei nach den vier Abstufungen schwach, mittelstark, stark und sehr stark. Kriterien für die Einstufungen der einzelnen Substanzen sind dabei Prüfungen zur Stärke der entzündungshemmenden (= antiinflammatorischen) und zellteilungshemmenden (= antiproliferatorischen) Wirkung.

2. W. Ditz, Doping im Pferderennsport, Centaurus-Verlagsgesellschaft, 1986

 

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