Dr. Ina Gösmeier - "Immer als Vertreterin des Pferdes..." Drucken
Geschrieben von: Alexandra Koch/ DL   
Dienstag, 24. Mai 2016 um 19:07

Marl. Dr. Ina Gösmeier begleitet seit vielen Jahren die deutschen Championatsreiter auf ihren internationalen Meisterschaften. Sie ist neben den Mannschaftstierärzten zuständig für alternative Heilverfahren wie Akupunktur und Akupressur. Vorsorge und Unterstützung ist dabei die wichtigste Aufgabe, um die sensiblen Athleten auf ihre großen Aufgaben vorzubereiten.

 

 

Bei bei Dr. Ina Gösmeier finden auch „normale“ Pferdeleute Unterstützung. Über ihre Gedanken, Einstellung zum Pferd und ihre Wünsche unterhielt sie sich mit Alexandra Koch.

Sie betreuen die Pferde der deutschen Nationalmannschaft bei großen Championaten. Wie genau sieht Ihre Arbeit dort aus?

Ina Gösmeier: „Alle Disziplinen haben ja ihren eigenen Mannschaftstierarzt. Ich bin disziplinübergreifend zuständig für alle alternativen Verfahren. Manuelle Therapien, Chiropraktik, Akupunktur, Akupressur. Das Ziel dabei ist vor allem, die Pferde gesund aufs Championat zu bekommen und sie gesund zu erhalten. Bei meiner Arbeit geht es hier vor allem um Leistungsoptimierung und –erhaltung. Das ist  auch im Trainingslager wichtig, wo ich immer mit dabei bin. Gerade wenn jemand neu ins Team gekommen ist und man das Pferd noch nicht so gut kennt, ist das eine wichtige Zeit. Ich muss das Pferd dann auch erst mal kennenlernen und sehen, wie und auf welche Therapien es anspricht .Ich entscheide  individuell, welche Therapie und  wie oft für ein Pferd sinnvoll ist. Manche Pferde werden deutlich häufiger akupunktiert als andere.“

 

Seit wie vielen Jahren sind Sie schon bei Championaten unterwegs? Gibt es eine Veranstaltung, an die Sie sich besonders gerne erinnern?

I.G.: „Ich bin seit 2002 mit von der Partie. Die Weltmeisterschaften in Jerez waren mein erstes Championat, ein großes Erlebnis. Am schönsten für mich waren jedoch die Olympischen Spiele in London – ganz eindeutig! Es war dort einfach alles für die Pferde perfekt organisiert. England ist ein Pferdeland, und das hat man jede Minute gemerkt. Es war alles einfach toll – die Wettkämpfe und Medaillen natürlich auch. Aber die waren nicht die Hauptsache, es war das Erlebnis an sich.“

 

Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach alternative Heilmethoden wie Akupunktur und Akupressur im Spitzenreitsport?

I.G.: „Natürlich halte ich sie für sehr wichtig. Das ist bei meiner Arbeit  ja klar. Die Begründung dafür ist, dass die chinesische Medizin im Krankheitsfall nicht zwischen Psyche und Körper unterscheidet. Beide Komponenten müssen in die Therapie einfließen. Sie sind wichtig für den Erhalt der Gesundheit. Sportpferde haben einen hohen körperlichen Einsatz, deshalb ist es besonders wichtig, dass auch ihre Psyche ausgeglichen ist. Die Akupunktur wirkt hier besonders intensiv. Sie hat  einen allgemein positiven Einfluss auf den Körper des Pferdes inklusive des Immunsystems, hilft dem Pferd aber auch psychisch den sportlichen Anforderungen zu folgen. Die Asiaten haben auch eine ganz logische Denkweise, das spiegelt sich besonders in der Diagnostik und Therapie der traditionellen chinesischen Medizin und fasziniert mich immer wieder.“

 

Wie kam es, dass Sie sich nach Ihrer tierärztlichen Ausbildung auf solche alternative Heilmethoden zu spezialisieren?

I.G.: „Ich bin ja lange Zeit selbst bis Grand Prix geritten. Das Pferd, das mein Mann damals ritt, war niemals lahmfrei. Es schien schon so, als müssten wir es einfach mit nur zwölf Jahren aus dem Sport nehmen. Das wollte ich aber nicht wahrhaben und suchte nach alternativen Möglichkeiten. Nun war dies aber vor über 20 Jahren, damals hatte noch keiner Ahnung von alternativen Heilmethoden. In dieser Zeit hielt man das sogar in der Humanmedizin noch für „spooky“. Es gab keine Akupunkturausbildung in der Tiermedizin. Ich bin dann nach China geflogen und habe dort erste Grundlagen kennengelernt.  Als ich zurückkam, war ich natürlich immer noch ein blutiger Anfänger, aber ich hatte eben auch das berühmte „Anfängerglück“. Dieses Pferd lief nach meiner Akupunktur  die vier erfolgreichsten Jahre seines Lebens. Es war durch alternative Methoden geheilt worden. Danach habe ich eine  alternativmedizinische Überweisungspraxis gegründet, in der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich. Diese lief dann auch sehr schnell sehr gut. Über meine Kollegen und Reiter hatte ich erste Patienten. Aber natürlich musste ich mich noch weiterbilden und tat dies vor allem im Rahmen einer humanmedizinischen Ausbildung und durch Reisen nach China. Die humanmedizinischen Akupunkturgrundlagen  mussten für die Pferde modifiziert werden. Denn bisher hatte kaum jemand an diesem Fluchttier gearbeitet, das ganz anders reagiert als ein Mensch oder ein Hund. Wenn uns etwas nicht gefällt, können wir uns wehren und geben Kontra. Auch der Hund tut dies. Das Pferd kann in einer Gefahrensituation nur flüchten. Die angewendeten Akupunkturpunkt-Kombinationen unterscheiden sich vom Menschen. Wenn man Erfolg in dieser Therapieform haben will, muss dieser Unterschied beachtet und richtig für jedes Pferd individuell angewendet werden. Heutzutage bilde ich an der Universität und privat Tierärzte in der Akupunktur und chinesischer Kräutertherapie aus. Für Laien bieten wir auch Ausbildungen in Akupressur an.“

 

Wer kann alles den Weg zu Ihnen finden? Bei welchen Problemen mit dem Pferd helfen Sie genau?

I.G.: „Jeder kann zu mir kommen – wirklich jeder. Meine Praxis ist natürlich nicht auf Spitzenpferde spezialisiert. Neben Holsteinern und Hannoveranern kommen hier Haflinger und Shetties zum Zug. Aber ich behandle auch Frettchen oder Hunde, eben jedes Tier, das kommt und Hilfe braucht. Viele glauben Akupunktur wirke nur als Schmerztherapie, das stimmt nicht. Die Pferdebesitzer kommen mit Rückenproblemen und jeglicher Art von Schmerzen zu mir. Aber oft genug sind die Ursachen internistische Probleme wie Bronchitis, Leberveränderungen, Magengeschwüre, Blasenentzündungen. Natürlich kann ich solche schwerwiegenderen Krankheiten nicht alleine heilen, hier ist eine Kombination aus alternativer Medizin und Schulmedizin nötig. Die Zusammenarbeit mit den Tierkliniken und Kollegen funktioniert sehr gut. Wenn eine Bronchitis beispielsweise nur mit Antibiotika behandelt wird, scheint das Pferd zwar gesund, doch möglicherweise sind die Blutgaswerte nach wie vor schlecht und das Pferd in seiner Leistung eingeschränkt. Hier helfen dann Akupunktur und chinesische Rezepturen, damit das Pferd sich vollständig erholt. Aber auch Verhaltensveränderungen beim Pferd können durch Akupunktur beeinflusst werden.“

 

Arbeiten Sie mit Spitzensportlern in deren alltäglicher Arbeit zusammen oder nur bei den Großveranstaltungen?

I.G.: „Wie schon oben erwähnt, betreue ich viele Spitzenpferde auch im Alltag und ganz speziell in der Vorbereitung auf Championate. Viele Spitzenreiter  setzen auf die alternativen Heilmethoden. Sie haben verstanden, dass die Gesunderhaltung der Pferde extrem wichtig ist, und die Akupunktur - regelmäßig angewandt - unterstützt diesen Prozess. Außerdem fühle ich häufig schon Veränderungen am Pferd, bevor diese zur Erkrankung werden. Diese Gabe wird besonders geschätzt.“

 

Was sind für Sie die besonderen Vorteile der Akupunktur und Akupressur?

I.G.: „Die Theorie dahinter fasziniert mich noch immer. Die Akupunktur behandelt immer ganzheitlich Geist und Körper und nicht nur Symptome, sondern die Ursache von Erkrankungen. Sie wird optimal durch chinesische Kräuter ergänzt. Die Akupunktur kann Erkrankungen heilen, die Akupressur wirkt nur zusätzlich unterstützend. In Asien wird die Idee der Vorsorge und Nachsorge mehr gepflegt als hier. Die traditionelle chinesische Medizin kann dafür optimal eingesetzt werden.“

 

Gibt es Ideen, die Sie gerne in der Zukunft noch verwirklichen möchten?

I.G.: „Oh, natürlich habe ich ganz viele, viele Ideen für die Zukunft. Ich bin immer neugierig .Da gibt es vieles, was ich mir noch wünschen würde! Die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Schulmedizin und alternativen Therapien ist ganz wichtig. Dieser muss noch intensiver werden. Außerdem sollte in der Medizin  mehr Wert auf die Prophylaxe gelegt werden.“

 

Wie sind Sie zu der Arbeit speziell mit Pferden gekommen?

I.G.: „Wie schon gesagt, bin ich ja selbst erfolgreich Grand Prix geritten. Meine Eltern hatten eine Doggen- und Chow Chow-Zucht, aber ich war schon mit drei Jahren von Pferden begeistert, habe dann auch mit dem Reiten bald angefangen und bekam einen Norweger - dieser Rasse bin ich heute immer noch besonders zugetan. In der Tierklinik lachen immer alle, wenn ein Norweger kommt, weil ich mich dann so freue. Ich wusste schon mit drei Jahren, dass ich Tierärztin werden möchte und mich auf Pferde spezialisieren will. Mein Umfeld war der Meinung, eine kleine Frau könnte sich nicht in der Pferdepraxis bewähren. Aber mein Enthusiasmus wurde belohnt, und ich bin sehr glücklich in meinem Beruf. Ich war von Anfang an auf Pferde geprägt.“

 

Welche Wünsche hätten Sie, wenn Sie auf den Reitsport und die Pferdehaltung heute denken?

I.G.: „Ich würde mir wünschen, dass nicht alles genormt werden würde. Dass nicht jede Haltungsform beispielsweise als einzig Wahre dargestellt würde. Natürlich müssen alle Pferde nach draußen und Bewegung haben, aber dennoch ist jedes Pferd individuell zu betrachten. Nehmen Sie beispielsweise ein altes, ängstliches Pferd, das Boxenhaltung und engen Menschenkontakt gewöhnt war – für dieses Pferd ist die Herde möglicherweise keine Freude, weil es sich nicht durchsetzten kann und Schmerzen hat. Ich halte auch ganz viel von gemischten Altersgruppen, die man heute kaum noch findet. Denn in der Natur würde man ja zum Beispiel auch nie nur Jährlingsherden finden. Die jungen Pferde sollten von den älteren lernen können. Ich wünsche mir, dass auf das  Verhalten der Pferde eingegangen wird und das individuelle Bedürfnis des einzelnen Pferdes mehr respektiert wird. Aus diesem Grund sehe ich mich immer als Vertreter des Pferdes.“

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