Hanne Brenner: „Dieses Jahr will es einfach nicht so laufen“ Drucken
Geschrieben von: Hanne Brenner/ DL   
Dienstag, 11. Juli 2017 um 18:55

Wachenheim. Nach der letzten Sichtung zur Nominierung der Paramannschaft der deutschen Mannschaft für die Europameisterschaft in Göteborg schrieb Deutschlands erfolgreichste Parareitern Hanne Brenner (54)  ihre Enttäuschung von der Seele…

 

 

Mit der Befürchtung, dass es in diesem Jahr nicht reichen wird für die Nominierung in das Team für die Europameisterschaft in Göteborg,

sind wir letztes Wochenende nach Überherrn ins Saarland gefahren.

Ich wusste aber auch, dass ich mit wirklich überzeugenden Prüfungen durchaus noch eine Chance haben würde, mitzukommen.

 

Nun, das ist mal gründlich in die Hose gegangen!

 

Am ersten Tag habe ich die Galopptour zu wenig herausgeritten, sonst war Kiwi sehr gut. Das wollte ich am zweiten Tag natürlich unbedingt verbessern, was dazu führte, dass ich wieder in mein altes Muster gefallen bin…

Leider! Ich habe von Anfang an zuviel Druck gemacht und Kiwi hat deshalb einfach nicht so mitgemacht. Er ist brav, aber ausdruckslos gegangen - und ich war todunglücklich! Und zuerst stinksauer auf ihn, weil ich das Gefühl hatte, dass er mich verhungern lässt, aber nach ein paar Stunden und einer Nacht wurde mir klar, dass ich die Verantwortung trage. So blöd es sich anhört: Ich musste mich zwingen, die Kür am Sonntag locker anzugehen.

 

Ich musste im Kopf loslassen, das wusste ich!

 

Und erstaunlicherweise gelang mir das ganz gut, so dass Kiwi auf dem Abreiteplatz ungefähr wieder so ging, wie ich ihn kannte und wie ich ihn eigentlich die ganzen Tage vorstellen wollte. Unglücklicherweise hat er ein Gedächtnis wie ein Elefant und nahm schon auf dem Abreiteplatz zweimal kleine Nichtigkeiten zum Anlass, seinen Unmut von der „Behandlung“ des Vortages zu zeigen, indem er den Kopf hochriss. Und genau das, nämlich Kopf hoch und ihn eine Weile so oben halten, hat er dann auch in der Kür relativ zu Beginn gemacht, nachdem ich mal kurz abgelenkt war…

Ist per se nicht schön, aber in der Kür eine Katastrophe. Die Musik läuft weiter! Statt bei „C“ rechte Hand befand ich mich nun bei „A“ linke Hand…

 

Was tun? Aufgeben? Nein!

 

Ich bin einfach Schritt, Trab und Galopp zu meiner Musik geritten und habe nacheinander die Lektionen mit eingebaut. Die Choreographie war zwar nicht toll, aber ich habe alles geschafft und stand zum Ende der Musik auf der Mittellinie mit dem Kopf zu den Richtern. Die bewunderten zwar mein Improvisationsgeschick, aber nicht die Choreographie. Konnten sie ja auch nicht…

 

So bin ich nun zum ersten Mal seit 1999 nicht nominiert für das bevorstehende Championat. Das tut echt weh, aber es wird mich nicht zum Aufgeben bringen. Ich bleibe am Ball und werde mit Dorte zusammen einen Weg finden, der Kiwi und mein Vertrauen zueinander stärkt!

 

Und – ach ja – Wenn Ihr zufällig von einem sehr guten Dressurpferd wisst, das zu mir passen könnte, meldet Euch bitte!

Kann auch gern eins mit händelbarem Handicap sein, wie z.B. Hufrehe, Kissing Spines oder so. Das hatte Ollie ja schließlich auch vor 12 Jahren…

Ich will Kiwi nicht aufgeben, aber sozusagen vorbauen J.

 

Ganz liebe Grüße von Eurer Hanne Brenner im Juli 2017

 

 

Hanne Brenner oder: „Behindert ist nur der, der sich selbst behindert!“

 

Hanne Brenner wurde 1963 in Lüneburg geboren und wusste schon mit 7 Jahren, dass Pferde eine ganz besondere Rolle in meinem Leben spielen sollten. „Mich hat von klein auf die Einheit Pferd und Reiter fasziniert, die Harmonie, die zwei Lebewesen eins werden lässt. Mein „Reiterleben“ begann aber erst mit 12 Jahren, als meine Eltern mir nach jahrelangem Drängen meine erste Reitstunde schenkten. Mit ca. 18 Jahren fand ich den Weg in die Vielseitigkeit, die mich bis heute fasziniert, weil sie alle Facetten des Reitsports abdeckt und eine ganz intensive Bindung zum Pferd fordert. Und genau in dieser Sparte des Reitsports sollte die Wende zu einem völlig neuen Leben erfolgen“, sagt sie.

 

Im Oktober 1986 ritt sie im Rahmen einer Landesstandartenprüfung eine lange Vielseitigkeitsprüfung in Luhmühlen und stürzte am Ende der Querfeldeinstrecke so schwer, dass sie den ersten Lendenwirbel brach und seitdem inkomplett querschnittgelähmt ist. Das bedeutet, dass bei dem Unfall nicht alle Nerven im Rückenmark zerstört wurden, sondern nur ein Teil. Nach der Reha studierte sie in Heidelberg BWL zu studieren.

 

1997 kaufte sie ihr eigenes Pferd. 1998 kam sie in den B-Kader der Dressurreiter mit Behinderung und durfte 1999 zur ersten Weltmeisterschaft in Arhus. Ende 2007 trat Dorte Christensen in ihr Leben als Trainerin, Beraterin, Vertraute und Lebenspartnerin. Seit 2009 arbeitet sie bei Lotto Rheinland-Pfalz.

 

Sie ist eine richtige „Power-Frau“. Und eine der erfolgreichsten Sportreiterinnen der Welt. In ihrer wahrlich beeindruckenden Erfolgsliste stehen zum Beispiel Gold- und Silbermedaillen bei den Paralympics, Gold, fünf Mal Silber, dazu Bronze bei Weltmeisterschaften, vor einigen Wochen wurde sie auf Gestüt Bonhomme in Werder zum 15. mal Deutsche Meisterin.

 

Das Lebensmotto der begeisterten Tiefsee-Taucherin lautet: „Behindert ist nur der, der sich selbst behindert.“ Und weiter sagt sie: „Ich habe rundum das Gefühl, wirklich vollständig als Behinderte in unserer Gesellschaft integriert zu sein. Dafür spricht auch mein mir sehr wichtiger Freundeskreis, der aus Behinderten und aus Nichtbehinderten besteht. Ich bin der Überzeugung, dass Integration bei den Betroffenen selbst beginnt – nur so können die Nichtbehinderten die Hemmschwelle überwinden.“ Interessant auch, dass sie von sich behauptet, nicht mehr mit der „Hannelore Brenner vor dem Unfall“ tauschen zu wollen.

 

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