Erinnerungen an den Beginn des Springreiter-Weltcups... Drucken
Geschrieben von: Max E.Amann/ DL   
Freitag, 13. Oktober 2017 um 15:45

Zürich. An diesem Wochenende beginnt in Oslo die 40. Weltcupsaison der Springreiter seit 1978. Der Publizist, Kunstmäzen und erste Weltcup-Direktor Max Ammann erinnert in einem Bericht in der „PferdeWoche“ an die Schwierigkeiten und Anfänge dieser erdumspannenden Serie.

 

 

Die 60er-Jahre waren in Bezug auf die mediale Aufmerksamkeit des internationalen Pferdesports ein eher diskretes Jahrzehnt…. Zwei Großanlässe anfangs der 70er-Jahre: Die WM der Springreiter von 1970 in La Baule und die Olympischen Spiele von 1972 in München brachten eine Renaissance. Bereits in La Baule war die internationale Presse fast vollständig vertreten: Selbst die großen Tageszeitungen Deutschlands und Englands hatten ihre Berichterstatter in der Bretagne. Zwei Jahre später, in München, war der Pferdesport in den Medien allumfassend präsent.

 

Nicht zuletzt motiviert durch diese neue Bedeutung wurde 1974 in Hickstead die Internationale Vereinigung der Pferdesport-Journalisten (IAEJ) neu gegründet und 1977 schlossen sich in Genf die Springreiter zum Internationalen Springreiter-Club (IJRC) zusammen. Diese Zusammenschlüsse der Reiter und der Journalisten brachten Diskussionen auf, man traf sich vermehrt zu Sitzungen und zu gemeinsamen Essen. Zu den Journalisten, die damals zusammensaßen, gehörten auch die Fernsehleute, die heutzutage eher rar geworden sind. Ich erinnere mich an Vorschläge der von den Möglichkeiten des Fernsehens schwärmenden Reporter: Raymond Brooks-Ward von der BBC schlug einen Vergleichskampf vor, in England und in Deutschland wird simultan geritten: Das Fernsehen würde abwechslungsweise einen Starter in London, dann einen in München zeigen. Allgemein bedauerte man die Passivität des Weltverbandes (FEI) und das Fehlen von Kontinent- oder weltumspannenden Serien wie dem alpinen Ski-Weltcup oder der Formel 1. Die Nationenpreisserie, 1965 von Prinz Philip ins Leben gerufen, führte damals als «President‘s Cup» in den Medien ein sehr diskretes Dasein.

 

Vorschlag einreichen

 

Als ich während der Olympischen Spiele von 1976 in Montreal, respektive in Bromont, dem damaligen FEI-Präsidenten Prinz Philip die Vorschläge der Journalistenvereinigung (IAEJ) für verbesserte Pressebedingungen vorlegte, nützte ich die Gelegenheit, um über einen Weltcup der Springreiter zu reden. Prinz Philip hörte zu und war immerhin so interessiert, dass er mich bat, einen schriftlichen Vorschlag für den Weltcup zu machen.

 

Fast ein Jahr später, beim CHI Donaueschingen 1977 …sprach mich der deutsche Journalist und «PferdeWoche»-Korrespondent Dieter Ludwig an: «Max, wie geht es deinem Weltcup?» Damals, im September 1977, bestand der International Jumping Riders Club seit etwas über vier Monaten. So bat ich zwei der damals führenden deutschen Springreiter zum Abendessen in ein Restaurant in Donaueschingen: Paul Schockemöhle und Hendrik Snoek. Dabei kam es bereits zur ersten Weichenstellung: Der Weltcup sollte sich in Europa auf die Hallenturniere beschränken, die Nationenpreise der Freiluft-CSIOs sollten ihr Eigenleben behalten.

 

In den folgenden Monaten wurde das Weltcupkonzept mit den Springreitern bei jedem Turnier diskutiert. Die erste Diskussionsrunde mit den Reitern fand am 2. November 1977 in Teheran statt. Es war das zweite (und letzte) Einladungsturnier im dortigen Aryamehr-Stadion. Da am gleichen Wochenende auch international in Muntelier in der Schweiz geritten wurde, flog ich am Freitag zurück nach Zürich. In Muntelier versammelte sich am 5. November die andere Hälfte der damaligen Spitzenreiter, um über das Weltcupprojekt zu reden. In der Folge kam es zu Reiterzusammenkünften in Bordeaux, Paris, London, im Januar 1978 in Verden (anlässlich der Beerdigung von Weltmeister Hartwig Steenken), in Hertogenbosch, Dortmund und Nizza. Mitte April 1978 waren die letzten Punkte geklärt und ein schriftlicher Reglementsentwurf wurde von mir bei der FEI eingereicht. Im Mai 1978 präsentierte ich den Weltcup der FEI-Springkommission anlässlich ihrer Tagung in Brüssel und eine Woche nachher traf ich FEI-Präsident Prinz Philip auf Schloss Windsor. Dieses Treffen endete mit dem bekannten Resultat: Ich müsste den Weltcup leiten und er werde mein amerikanisches Englisch in «proper» Englisch übertragen.

 

Turniere überzeugen

 

Parallel zu diesen Diskussionen um Format und Reglement des Weltcups gab es Verhandlungen darum, welche Turniere mitmachen sollten oder wollten. Weiter musste die Finanzierung des Weltcups geklärt werden. Bei einem Mittagessen mit dem bekannten amerikanischen Olympiasieger Bill Steinkraus im Cavalry Club in New York war entschieden worden, dass ein Weltcup analog Formel 1 nicht infrage kam. Transportstress der Pferde, hohe Transportkosten, Datenkollision zwischen Europa und Amerika standen im Weg. Daraus ergab sich ein Ligasystem mit vorläufig zwei Ligen: Europa und Nordamerika, und einem Finale im April am Ende der europäischen Hallensaison und nach den amerikanischen Florida-Turnieren.

 

Mit den europäischen Turnierveranstaltern gab es Einzelgespräche. Praktisch alle waren interessiert und bereit mitzumachen. Allerdings nicht mit Begeisterung. Unterschwellig fürchtete man eine ungewünschte Einflussnahme der FEI und wunderte sich über diesen Schweizer Journalisten mit seiner Weltcup-Idee.

 

In Nordamerika war es anders. 1977/78 hatten sich in den USA die großen Turniere zur «American Grand Prix Association» (AGA) zusammengeschlossen, die eng mit der Veranstalterfirma «Stadium Jumping» zusammenhing. Die AGA arbeitete mit der «International Management Group» von Mark McCormack (IMG) zusammen. Stadium Jumping/AGA kontrollierten die Freiluftturniere in Florida (Palm Beach, Ocala und Tampa). Diese brauchten wir für die Frühlingsmonate der Amerikaliga des Weltcups. Für die Herbstmonate Oktober und November wollten wir die Herbsthallenturniere Washington, New York und Toronto.

 

Viermal flog ich 1978 über den Atlantik: im März nach Florida, im Juni nach New York (Besuch in Ox Ridge), im September nach Philadelphia und Ende Oktober nach Washington, New York und Toronto. Dazwischen traf man sich mit den Amerikanern in Aachen, anlässlich der Springreiter-WM. Dort, in Aachen, kam das Mitmach-Okay des Hallencircuit durch Josh Barney, den Präsidenten des CSIO New York.

 

Am 10. September 1978 traf ich eine AGA/IMG- Delegation in Philadelphia. Kurz zuvor hatte Volvo-Präsident Pehr Gyllenhammar mit 480.000 Schweizer Franken die erste Saison 1978/79 des Weltcups finanziell abgesichert. Mit dieser finanziellen Zusage vor Augen, waren auch die AGA-Turniere von «Stadium Jumping» bereit mitzumachen. Bud Stanner, Vize-Präsident von IMG, tat dies mit den denkwürdigen Worten: „Nur ein Kerl kann auf einmal durch diese Türe gehen, und das ist Max Ammann mit seinem Volvo-Geld.“

 

Bis zur entscheidenden finanziellen Zusage von Volvo anfangs September 1978 hatte es in Bezug auf die Finanzierung des Weltcups einige Ups und viele Downs gegeben. Die erste Hoffnung einer Finanzierung war die bereits erwähnte International Management Group IMG, genauer ihr Europaableger. Vorgeschlagen wurde IMG in frühen Diskussionen durch belgische Springreiter. Bald stellte sich jedoch heraus, dass IMG kaum ein Interesse an der Organisation und Finanzierung eines Springreiter-Weltcups hatte, sondern nur daran, die Spitzenreiter durch Einzelverträge an sich zu binden. Der zweite Vorschlag, ebenfalls von den Reitern unterbreitet, betraf einen Agenten, der sich als Interessenvertreter von belgischen Radprofis einen guten Ruf geschaffen hatte. Hier stellte sich heraus, dass zwar der Wille zum Management da war, nicht aber die Möglichkeit einer Finanzierung.

 

Als dritte Möglichkeit kontaktierte die FEI von sich aus eine weitere Sportmanagement-Agentur, nicht so prominent wie IMG, aber doch etabliert. Man spürte ein Interesse, aber auch eine Zurückhaltung, allfällige Sponsorengelder in eine nicht ganz große Sportart zu investieren.

 

Genf oder Göteborg?

 

Durch den Entscheid, den Weltcup mit einem Liga­System zu organisieren, mit einem Finale der Besten im April, kam die Frage auf: Wer könnte ein solches Finale organisieren? Im FEI-Kalender April standen zwei anerkannte Hallenturniere: Genf und Göteborg. Das erstere seit 1927 als zweiter Schweizer CSIO bekannt und beliebt, Göteborg 1977 erstmals durchgeführt und sofort zum Spitzenanlass geworden. Beide hatten als Hauptsponsor eine prominente Firma: Piaget in Genf, Volvo in Göteborg.

 

Als guter Schweizer kontaktierte ich zuerst Yves Piaget. Wir trafen uns im Schweizerhof in Bern. Yves Piaget war interessiert, in Genf ein Qualifikationsspringen zu organisieren, aber ein Final wollte er nicht. So kontaktierte ich Anders Gernandt, den Pferdesportkommentator des schwedischen Fernsehens. Anders Gernandt seinerseits erkundigte sich bei Bertil Rönnberg, dem Direktor vom Scandinavium, dem großen Hallenstadion in Göteborg, und noch wichtiger - er traf sich mit Pehr­Gyllenhammar, dem Präsidenten von Volvo. PG, wie der Volvo-Präsident genannt wurde, wusste von den Weltcupplänen: Paul Schockemöhle und andere Reiter hatten ihm beim Turnier im April 1978 im Scandinavium davon erzählt. So lud mich PG per Telex für den 1. September 1978 zu einem Nachtessen in seinem Haus in Göteborg ein. Dort, in Anwesenheit von Bertil Rönnberg, einem Banker und seinem Freund Ulf Bergqvist wurde Volvo Sponsor des Weltcups, dies mit einem Handschlag bei einem Glas Cognac nach dem Essen, „It’s a deal“.

Für den schwedischen Autobauer bedeutete der Handschlag von PG nur der Anfang des 20-jährigen Engagements im Weltcup. Vorerst galt es, die nationalen Volvo-Organisationen in den am Weltcup beteiligten Ländern zu motivieren. Vorerst Europa und Nordamerika.

 

Dabei gab es drei Hauptprobleme. Einmal war der Pferdesport nicht in allen Ländern populär. Vor allem in den außereuropäischen Ländern, wo der Pferdesport entweder nur durch die Elite oder durch den Bauernstand praktiziert wurde, bestand anfänglich wenig Volvo-Interesse. Dann kam das in allen Strukturen bekannte Problem, dass Entscheide des obersten Chefs im Hauptquartier von den Filialen nur zögerlich nachvollzogen wurden. Nicht zuletzt in Marketing- oder Sponsorabteilungen herrschte eine heftige Abneigung gegen Managemententscheide, die ohne deren Mitsprache getroffen wurden. Dazu kam, dass bei Volvo Tennis, Golf und Segeln seit jeher die bevorzugten Sportarten waren. Das dritte Problem war, dass die einzelnen Länder­organisationen ganz unterschiedlich strukturiert waren. Einige waren von der Zentrale abhängige Töchter, andere waren ein relativ unabhängiger Importeur, andere, wie zum Beispiel in Großbritannien, waren Händlerorganisationen. Pehr Gyllenhammar hat die Probleme einmal so formuliert: „I push, but not all pull.“ Volvo Nordamerika, zum Beispiel, weigerte sich 1980 beim 2. Weltcupfinal (in Baltimore) mitzumachen. Erst ab 1985 war Volvo Nordamerika dabei.

 

Selbst in der Göteborger Zentrale von AB Volvo wurde nicht immer am gleichen Strick gezogen. Erst als nach einigen durchzogenen Jahren mit Ernst Knappe ein neuer am Pferdesport interessierten Senior-Vize-Präsident das Dossier Weltcup übernahm und Pehr Gyllenhammar seinen Freund Ulf Bergqvist dazu überredete, für Volvo den Pferdesport zu betreuen, entwickelte sich das Volvo-Sponsorship des Weltcups zum Langerfolg: Springen zwanzig Jahre lang, dazu noch Dressur.

 

Wichtigkeit der Rangliste

 

Essenzieller Bestandteil des Weltcupreglements war von Anfang an die Computer-Rangliste der Reiter. Mit ihr wurden, nach einem ausgeklügelten System, die Startplätze bei den europäischen Weltcupturnieren vergeben. Speziell waren dabei die «Top Ten», die für die ganze Saison automatisch Startrecht hatten. Dazu kamen, je nach Zahl und Platzierung ihrer Reiter in der Computerliste, Startplätze für die nationalen Verbände.

 

Zu erwähnen ist, dass die Computerliste vorerst auf einen Computer verzichtete. Alles wurde von mir per Hand und Kopf getan, handgeschrieben auf Papier. Die erste Liste, von August 1978, umfasste 123 Namen. In den ersten Jahren zählten die Platzierungen in allen klassischen Springen eines internationalen Turniers. Mitte der 80er-Jahre meinten einige Mitglieder des Weltcupkomitees, man sollte für die Computerliste nur die Resultate der Nationenpreise und Großen Preise berücksichtigen. Ich kalkulierte – immer noch per Hand und Kopf – die Ergebnisse eines Jahres nach beiden Methoden. Das Ergebnis war erstaunlich. Nur bei zwei Reitern ergaben sich wesentliche Unterschiede: bei Pierre Durand aus Frankreich, der dank Jappeloup in der gewünschten GP-NP-Liste hoch platziert war, und bei Harvey Smith, der seine Erfolge in Rahmenprüfungen holte und konsequenterweise in der bewährten, alles umfassenden Computerliste hoch platziert war. In der Folge blieb das System mit allen Resultaten noch einige Jahre weiter bestehen.

 

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