Fünf Fragen an Dressurrichter und Reiter Reinhard Richenhagen Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Dienstag, 13. Februar 2024 um 12:02

Reinhard (links auf dem Foto) und Martin Richenhagen - zwei Brüder und seit Kindheit dem Reitsport zugetan

(Foto: Kalle Frieler)

Pulheim. Reinhard Richenhagen hatte immer etwas im Schatten seines öffentlich bekannteren Bruders Martin zu stehen, sportlich garantiert nicht, da ritt er an der Tete und auch als Dressurrichter ist er nicht dahinter. Er hat zu den jüngsten Veröffentlichungen von tierquälerischen Trainingsmethoden von Dressurpferden etwas zu sagen und auch darüber hinaus.

Reinhard Richenhagen (66) ist der jüngere Bruder des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden im US-Agrar-Weltkonzern AGCO, beide wuchsen mit dem Reitsport auf, Martin Richenhagen (71) machte ganz große Karriere in der internationalen Geschäftswelt, Reinhard blieb der rheinischen Heimat treu. 37 Jahre arbeitete er beim weltbekannten Unternehmen Waldhausen, zuletzt verantwortlich für den Einkauf Inland, die gesamte Hausverwaltung und er ritt bis Grand Prix. Heute gibt er Reitlehrgänge, unterrichtet Richter-Kollegen, bildet Pferde aus und vergibt selbst als Juror Noten in den höchsten Dressurwettbewerben. Wie nicht gerade viele seiner Richterkollegen weiß er, „auf was es ankommt beim Reiten, was die Richter sehen wollen und auch entsprechend benoten“. Und er kann vermitteln, um das persönliche Reiten zu verbessern. Darüber versteht er „die Sorgen und Ängste der Aktiven, wie es ist, in ein Viereck einzureiten – und möglicherweise das nicht zeigen zu können, was gerade noch beim Abreiten so gut geklappt hat“. Er gehört eben zu jenen Richtern, die nicht nur beim Schleifen-Anheften dem Pferd nahe sind.

Herr Richenhagen, mal ganz einfach gefragt: Warum kommt der Reitsport, nun auch die Dressur, in letzter Zeit so regelrecht in Verruf, warum wird auf Grund von unverständlichen, widerlichen Videoaufnahmen vom Training mit Dressurpferden, auch in deutschen Reitställen, der Sport mit dem Pferd so in Frage gestellt?

Reinhard Richenhagen: „Die Welt hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Anders als früher werden Nachrichten, Informationen und Sachverhalte über die modernen Medien und das Internet bzw. Nachrichtendienste blitzschnell weitergeleitet und verbreitet und einem großen Publikum zugänglich gemacht. Dies war früher so nicht möglich und viel aufwendiger und schwieriger. Auch früher gab es tierschutzrelevantes Fehlverhalten oder Verstöße gegen das Tierwohl. Dies wurde jedoch oft nicht so publik und die Öffentlichkeit war noch nicht so sehr für diese Dinge sensibilisiert.

Besonders heute wird durch einen massiven Erfolgsdruck oder einfach irrationales Fehlverhalten und die unterschiedlichsten kommerziellen Aspekte, tierquälerisches Fehlverhalten und Handeln von einzelnen Akteuren immer öfters aufgedeckt. Der Sport selber und die Öffentlichkeit reagieren lobenswerter Weise heute viel sensibler und aufmerksamer auf solche Missstände. Leider führt das Fehlverhalten einzelner Akteure zu einer verallgemeinernden Verurteilung des gesamten Dressursports, obwohl die Mehrheit der Aktiven sich vorbildlich und tiergerecht verhält.“

Auf verbreiteten Videos sieht man zum Beispiel Tricksereien mit einem Gummiband an den Vorderbeinen, um anscheinend das Pferd zu besserer Beinarbeit zu animieren. Wo liegt da generell die Grenze zwischen Quälerei oder künstlicher Hilfestellung für die Entwicklung einer Gangart?

R.R.: „Die auf Videos dargestellten Aufnahmen, wobei ein Pferd mit Hilfe von Gummibändern oder anderen mechanischen Hilfsmitteln zu unnatürlichen, verspannten Bewegungen gebracht wird, sind tierquälerisch. Solche Methoden sind strikt abzulehnen und tierschutzrelevant sowie unmoralisch. Es führt zu spannungsgeladenen, exaltierten Bewegungsabläufen. Solche Methoden sind sowohl für die Psyche als auch für den Körper des Pferdes schädlich und unakzeptabel. Jeder korrekte Ausbilder, der nach unserer altbewährten Reitlehre arbeitet, und dies ist die große Mehrheit, lehnt solche Methoden ab! Der beste Ausbilder des Pferdes ist die Zeit und die korrekt angewandte bewährte Reitlehre. Diese orientiert sich an den naturgegebenen Veranlagungen und Bedürfnissen des Pferdes.“

Was begeistert Sie an der Dressur, wo liegt der Zauber der Dressur, und wie würden Sie einen Jugendlichen für diesen Sport begeistern wollen, der sich vom Pferd angezogen fühlt?

R.R.: „Der Zauber des Dressursports liegt in der harmonischen Zusammenarbeit, des optimal gymnastizierten Pferdes, welches durch eine gute Ausbildung und Training mit Leichtfüßigkeit und aus einer überzeugenden Losgelassenheit entwickeltem Ausdruck, seine Aufgabe auf dem Viereck absolviert. Die Zusammenarbeit und die Gelehrigkeit des Individuums Pferd vermitteln die Faszination. Beeindruckend ist, welche Ziele man durch sorgfältiges und verantwortliches Arbeiten mit dem Partner Pferd erreichen kann. Der gute Ausbilder ist mit einem Bildhauer oder Maler vergleichbar, der durch viele kleine Schritte langsam das Kunstwerk erschafft.“

Wie und wo sollte die Dressur, aber auch das Springreiten und die Vielseitigkeit oder jede Art des Reitens ansetzen, um wieder in den Medien mehr als eine Randsportart zu sein, fehlen die Vorbilder im Sattel?

R.R.: „Wir alle sollten viel mehr über die vielen guten und schönen Bilder, die unser Sport liefert, reden und berichten. Die schlechten Beispiele sind immer noch die Ausnahme, und das war früher auch schon so. Leider neigen wir alle schnell zu einer gewissen Verallgemeinerung und vergessen die vielen guten, verantwortlich und tierwohlorientiert arbeitenden Reiter, die alles für das Wohlbefinden ihrer Pferde tun. Vorbilder gibt es genügend in unserem Sport, aber leider treten die Negativbeispiele immer viel zu sehr in den Vordergrund und schaden unserm schönen, faszinierenden Sport mit seinen vielen Facetten.“

Eine andere Frage. Im Vergleich zum Kunstturnen oder Eiskunstlauf mit harmonischen flüssigen Bewegungen wirkt die Kür auf höchster Ebene im Dressursport oft eher teil fast entartet. Höchster Schwierigkeitsgrad, aber ruckartig von einer Bewegung in die nächste, was auf den Richterbögen Punkte bringt wegen der Schwierigkeit, doch worunter die Schönheit des Sports leidet. Das alles mag den Dressurrichter und auch manchen Experten begeistern, doch keinesfalls das normale Publikum. Sollten da nicht neue Wege eingeschlagen werden?

R.R.: „Nicht alles, was möglich zu sein scheint, sollte versucht werden, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Auch hier gelten klar unsere klassische Reitlehre und der Tierwohlgedanke für unseren Partner Pferd. Leider ist eine gewisse Tendenz zu erkennen, dass sich das Kürreiten von der eigentlichen Idee und Sinn der gestellten Aufgabe immer mehr entfernt. Eine Vielzahl von Regeln und Einschränkungen beschränken den Teilnehmer immer mehr, und geben kaum noch die Freiheit zu situationsabhängigem, individuellem Agieren. Auch hier gilt, alles was harmonisch, losgelassen und pferdegerecht ausgeführt wird, ist richtig. Der Tierwohlgedanke und das klassisch korrekte Reiten hat höchste Priorität!“

 

 

 

 

 

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