Der Mythos Halla und ihr Vermächtnis |
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Geschrieben von: Claus Schridde/ dl |
Donnerstag, 17. April 2025 um 18:50 |
Hans Günter Winkler und Halla 1956 Olympiagold in Stockholm (Foto: Menzendorf) Wohl kein Springpferd in Deutschland war und ist noch immer so bekannt wie Halla, die als Wunderstute betitelt wurde, nicht zuletzt deshalb, weil sie bei den Olympischen Spielen 1956 den verletzten Hans Günter Winkler in Stockholm zu Einzelgold trug. In Bronze gegossen steht Halla majestätisch vor dem Deutschen Olympiadekomitee für Reiterei (DOKR) in Warendorf. Bisher darf kein Sportpferd mehr auf ihren Namen eingetragen werden. Sie war das erfolgreichste Springpferd ihrer Zeit, wurde mit Hans Günter Winkler im Sattel Deutsche Meisterin, Europameisterin, Weltmeisterin und Olympiasiegerin: Die braune Hessenstute Halla (* 16. Mai 1945; † 19. Mai 1979) aus der Zucht von Gustav Vierling (Darmstadt, Hofgut Oberfeld). Nach ihrer sportlichen Karriere brachte sie im Alter von 17 bis 25 Jahren noch acht Fohlen zur Welt; drei Stut- und fünf Hengstfohlen. Der allgemeine Tenor lautete stets: Keines ihrer Fohlen kam an die Klasse der Mutter heran. Und man sprach sogar ziemlich verächtlich: Das war ja nix. Stand sinngemäß auch in Büchern, Lexika, Enzyklopädien und ist auch bis heute im Internet so zu lesen. Doch stimmt das wirklich? Und wie hätte es unter den gegebenen Umständen besser werden können? Zuchtexperte Claus Schridde hat sich auf Spurensuche begeben und das züchterische Vermächtnis der Wunderstute Halla aufgearbeitet. Die Geschichte dieses Stammes begann 1940 und entbehrt von Anfang an nicht einer gewissen Tragik. Der II. Weltkrieg nahm gerade richtig Fahrt auf, als den Angehörigen eines deutschen Artillerieregiments im Sommer 1940 in Frankreich eine gesattelte, herrenlose Fuchsstute in die Hände fiel. Sie wurde von dem Abteilungskommandeur Oberst Hauck übernommen, der sie im Gedenken an seine gefallene Stute Helene nannte. Nach dem Frankreichfeldzug wurde sie in Darmstadt als dienstuntauglich ausgemustert und privat von Oberst Hauck erworben, der sie bei Gustav Vierling, Pächter der ehemals großherzoglichen Domäne Oberfeld bzw. der Hofmeierei in Darmstadt, unterstellte. Hauck und Vierling kannten sich von mehreren Jagden zu Friedenszeiten. Für die Fuchsstute mit der auffallenden Blesse und dem weißen linken Hinterfuß war der Krieg zu Ende, doch ihr Besitzer zog 1941 mit seinem Regiment nach Osten und fiel schon wenige Tage später in Russland. Die beiden Schwestern von Oberst Hauck waren nicht begeistert von der Erbschaft und verkauften das Tier für 680 Reichsmark an Gustav Vierling. Helene war das einzige Warmblutpferd unter vielen Kaltblütern auf dem großen Milchviehbetrieb, und da die vier Kinder der Familie Vierling sich Reitpferde wünschten, sollten Fohlen geboren werden. Gustav Vierling hatte sich schon für einen schweren Oldenburger entschieden, doch der Darmstädter Landstallmeister Dr. Claus Dencker riet dazu, Helene mit dem damals schon recht bekannten Traberhengst Oberst anzupaaren. Während der Trächtigkeit überlebte sie den großen Luftangriff auf Darmstadt am 11. September 1944 mit einer Brandwunde auf der Kruppe, da ein brennender Balken auf sie herabgestürzt war, und gebar am 25. Mai 1944 das Fohlen Hexe. Am 16. Mai 1945 kam das zweite Stutfohlen zur Welt. Die 15-jährige Vierling-Tochter Ursula schlug den Namen Hella vor, aber da auch eine der Cousinen so hieß, wurde der Name in Halla abgewandelt. 1945 ging Helene abermals zum Hengst. Der Landbeschäler Sylvester, ebenfalls ein Traber, war nun der Partner, und es folgten zwei Hengstfohlen: 1946 Sonnenglanz und 1947 Saphir. 1947, als Saphir gerade sechs Wochen alt war, zertrümmerte eine Kaltblutstute mit einen Schlag das linke Hinterbein von Helene, und alle Bemühungen, die Stute in der Klinik zu retten, schlugen fehl. Da Deutsche 1947 keine Schusswaffen besitzen durften und schmerzlos tötende Mittel nicht vorhanden waren, musste die Stute in tierärztlicher Obhut erschlagen werden. Einzigartige Karriere Das sportliche Vermächtnis der Franzosenstute war außergewöhnlich: Drei ihrer vier Nachkommen gingen international. Hexe, das älteste Fohlen, blieb als Zuchtstute auf dem Hof, dann folgte Halla. Nach ersten Erfolgen Winklers mit Halla, kam auch Sonnenglanz unter seinen Sattel und Saphir war 1956 unter einem Reiter aus Südamerika ebenfalls Teilnehmer im olympischen Parcours von Stockholm. Allein das ist für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Bilanz. Im Laufe der Jahrzehnte verdichteten sich Hinweise und Indizien, dass es sich bei Helene um eine Tochter des berühmten Vererbers Ulon gehandelt hatte. Hallas Werdegang: Sie war zunächst ein Rennpferd in Frankfurt. Wegen ihres großen Springvermögens wurde sie zum Hindernisrennpferd umtrainiert und schließlich vom Oberlandstallmeister Dr. Gustav Rau für das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei entdeckt, das sich nach dem Kriege zunächst in Dillenburg neu formierte und dann nach Warendorf umzog. Halla sollte in der Military eingesetzt werden, galt aber als sehr schwierig und wechselte mehrmals den Reiter. Trotz großen Talents blieb sie erfolglos. 1951 übernahm der aufstrebende Springreiter Hans Günter Winkler die Stute. Mit ihm wurde Halla 1954 und 1955 Weltmeisterin, 1955 Siegerin im Deutschen Springderby, 1956 Doppelolympiasiegerin sowie 1960 nochmals Olympiasiegerin mit der Mannschaft. 1959 war das Paar in Berlin Deutscher Meister, 1958 gab es Einzel-Bronze bei der EM in Aachen. Insgesamt gewann Halla 125 Springen, darunter den Großen Preis von Aachen und den Großen Preis von Rom (ITA) und gehörte achtmal zum siegreichen deutschen Team in Nationenpreisen. „Eine Mischung aus Genie und irrer Ziege!“, so hat er sie des Öfteren charakterisiert. Winkler ritt im Laufe seines Lebens noch viele Pferde, eine zweite Halla war nicht mehr dabei. Am ehesten kamen noch Torphy (Olympische Spiele 1972 München und 1976 Montreal), Romanus oder Terminus xx an ihre Klasse heran. In Winklers Nähe Nach ihrer Verabschiedung aus dem Sport am 25. Oktober 1960 in Brüssel (BEL) ging Halla in die Zucht. Sie blieb – so war es ausgemacht – in Winklers Nähe, im Vollblutgestüt Lindenhof bei Sassenberg-Füchtorf, damals betrieben durch den Tierarzt Dr. Curt-Werner Löwe. Später war das Gestüt im Besitz der Familie Theodorescu, was wiederum die besondere Delikatesse barg, dass Frau Inge Theodorescu (geb. Fellgiebel) die erste Ehefrau von Hans-Günter Winkler war. Doch das nur nebenbei. Für Halla galt: Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht. Winkler war zeitlebens kein Züchter, die gute Unterbringung kein Garant auf sinnvolle Anpaarung, und besondere Mühe mit der Auswahl der Hengste machte man sich nicht, obwohl in den frühen 1960er Jahren durchaus schon (oder noch) bekannte Springpferdemacher zur Verfügung standen. Da wäre Agram verfügbar gewesen, auch Ferdinand, in jedem Falle aber der schon zu Lebzeiten legendäre Ramzes AA in Vornholz, und zwar gleich um die Ecke, Entfernung keine 20 Kilometer. Das Produkt eines Traberhengstes und einer französischen Beutestute überwiegend unbekannter Abstammung – da brauchte es schon Fantasie, um im Hinblick auf die Erzeugung von Springpferden ausgerechnet auf einen in der Warmblutzucht völlig unbekannten Vollblüter zu kommen. Aber Halla sollte mit ihren immerhin schon 16 Jahren zunächst einmal tragend werden. Ihr erster Partner war der gleichaltrige schwarze Vollbluthengst Fiorentino xx, in Warmblutkreisen völlig unbekannt, der aber eben vor Ort war. Nachweisbar ist seine Rennleistung: Er ist 1948 zwölf Mal gelaufen und siegte davon drei Mal und landete sechs Mal auf den Plätzen 2 oder 3. Dieser Anpaarung entstammte der 1962 geborene braune Halley, mit dem Halla 1962 Ehren- und Überraschungsgast auf der Düsseldorfer Rennbahn beim Hindernisrennen um den Großen Preis von Westfalen gewesen ist. Halley hat später bis zum Alter von 18 Jahren im Ruhrgebiet Erfolge in A- und L-Springen sowie Geländeritten erzielt. Hauptpartner Menes xx
Menes XX nach seinem Sieg am 12. Mai 1957 auf der Galopprennbahn in Krefeld, veröffentlicht im Züchterforum Ausgabe 10/ 2024 (Foto: Sportverlag) Dann kam der ebenfalls im Gestüt Lindenhof stationierte dunkelbraune Menes xx (Jahrgang 1954) zum Einsatz, der außer Halla nie weitere Warmblutstuten gedeckt hat. Auch dieser Hengst – ein hoch erfolgreiches Rennpferd übrigens – wurde benutzt, weil er eben „da war“, und fünf von Hallas acht Fohlen hatten ihn so ziemlich folgend zum Vater. Zu seiner Ehrenrettung muss gesagt werden, dass er ein Vertreter der Vollblutfamilie 31 war, fußend auf der Gründerstute Macht xx, und deren Vertreter wie etwa Marcio xx und Maigraf xx, mit denen Menes xx eng verwandt war, hatten in der Warmblutzucht der 1960er Jahre (Hannoveraner und Trakehner) bereits einen erstklassigen Ruf. Auch Makuba xx und Mamori xx waren in Oldenburg bedeutende Vertreter dieser Familie, die von jeher gut in alle Warmblutzuchten gepasst hat. Im Landgestüt Redefin wurden Mahagoni xx und später Matador xx populär. Menes‘ Vater Goody xx brachte außerdem den in der Trakehner-, Holsteiner-, Hannoveraner- und auch Vollblutzucht geschätzten Vererber Traumgeist xx und den in diesem Zusammenhang bereits erwähnten Oldenburger Spitzenvererber Makuba xx; also so ganz schlecht kann Menes xx nicht gewesen sein. Es fehlte schlicht und ergreifend an vergleichbaren Produkten in der Warmblutzucht. Das zweite Fohlen war somit der 1963 geborene hellbraune Hengst Hatto. Hier sollte die Tatsache, dass er Hengst war, gesondert zum Tragen kommen. Trotz eigentlich für eine Körung unzureichender Abstammung ist er 1968 und 1969 unter der Ägide des Verbandes Hessischer Pferdezüchter e. V. züchterisch zum Einsatz gekommen, ob mit offizieller Körung oder einer dank der prominenten Mutter erteilten Ausnahmegenehmigung, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Zumindest gibt es aus den Jahren 1969 und 1970 erwiesenermaßen acht offiziell registrierte Nachkommen, von denen fünf als Turnierpferde erfolgreich waren. Einer von ihnen, Hallo 21 (M. v. Sekundaner-Falkenberg, Z. Wendel Schaffner, Büttelborn) war mit Kurt Wendel S-erfolgreich, und auch Eberhard Vierling hat den Hengst selbst benutzt, und zwar mit der aus Hannover zugekauften Erika (v. Ernö-Flugwind-Denksport, Hann. Stamm 395/Felsentor bzw. Ilythia). Diese Stute hatte ihm zuvor die gekörten Hengste Wotan (v. Wöhler) und Egmont (v. Edelmann xx) geschenkt. Der dunkelbraune Wotan galt im Landgestüt Dillenburg als bewährt-solider Vererber, ohne dass ihm sportlich besondere Helden gelungen wären, und Egmont hatte nur ein Jahr (1968) als Privathengst gewirkt. Mit Hatto brachte Erika die Sportpferde Heiner 7 (SPR M) und Helene (DRE A). Anschließend ist Hatto unter Rainer Simon ein recht erfolgreiches Sportpferd mit Siegen und Platzierungen bis zur Klasse M/A geworden, wobei er nachweislich des Öfteren im Westfälischen unterwegs war. Seine Eigen-Lebensgewinnsumme belief sich auf immerhin über 5.000 D-Mark. Apropos Erika: Deren Vater Ernö hat Gustav Vierling übrigens auch selber genutzt. So hat er nämlich bereits 1959 mit der Stute Helene (v. Honved xx), einer Tochter von Hallas Vollschwester Hexe, eine „Wallfahrt“ zur hannoverschen Deckstation Sudweyhe bei Bremen unternommen, um den damals fünfjährigen Rapphengst zu nutzen. Ernö war immerhin der Sohn der international erfolgreichen Springstute Fugosa/Hermann Schridde und galt insoweit als großer Hoffnungsträger, hat die Springveranlagung seiner Mutter aber mitnichten weitergegeben. Doch das wusste man ja damals noch nicht, und so galt erst einmal das Prinzip Hoffnung und das gute Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Auf dieser Reise entdeckte Vierling seine spätere Zuchtstute Erika. Stammhalterin Halme Hallas erstes Stutfohlen war die 1964 geborene Fuchsstute Halme, deren Name sich aus den Erstsilben der Eltern Halla und Menes xx zusammensetzt. Halme sollte die Stammhalterin werden, dann bereits weitgehend unter der Regie von Eberhard Vierling (Jahrgang 1938). Das letzte Zuchtprodukt von Gustav Vierling war der 1972 geborene Oldenburger Fuchs Hallioso (v. Furioso II), der mit Fritz Pape auf baden-württembergischen Turnierplätzen in M-Springen und L-Vielseitigkeiten erfolgreich war. Halme war in mehreren Verbänden registriert: Hessen, Westfalen und Oldenburg. Als Eberhard Vierling die Zucht und damit die Pflege des Halla-Stammes von seinem Vater übernahm, orientierte er sich sinnvollerweise an hannoverschen Springpferdemachern. So kamen die erstklassigen Celler Landbeschäler Wendekreis und Diskus bei Halme zum Einsatz. Von Wendekreis stammten die Töchter Wendige und Wella, von Diskus die Tochter Dido. Wendige war sportlich bis zur Klasse M erfolgreich, ihre Schwester Wella ging nach ersten Erfolgen im Basissport zurück in die Zucht und lieferte aus verschiedenen Anpaarungen elf Nachkommen mit vier verschiedenen Verbandszugehörigkeiten (ein Hesse und zwei Westfalen, je vier Oldenburger und ZfdP-Pferde), von denen acht sportlich erfolgreich waren und drei S-Erfolge erzielten. Neun der elf Nachkommen hatten den vornholzisch geprägten, bunten und bis Klasse S erfolgreichen Fuchshengst Aldato (Z. u. B.: Bernhard Horstkötter, Beckum) zum Vater. Deren erfolgreichster war der ZfdP-ler Amadeus 194, vorgestellt von Sven Schlüsselburg. Der von Lars Meyer zu Bexten präsentierte Vollbruder Alisko ist früh ins Ausland verkauft worden; auch er war S-erfolgreich. Alisko war nicht der einzige Nachkomme der Wella unter dem Sattel von Lars Meyer zu Bexten. Der Springreiter aus dem westfälischen Herford ritt auch das mit Abstand erfolgreichste aller Wella-Kinder, nämlich ihr erstes Fohlen, die 1979 geborene braune Westfalenstute Goldika 155 (v. Gottschalk). Lars Meyer zu Bexten gewann mit ihr sechs M- und vier S-Springen, ehe sie bei Familie Nixdorf (FAN Fohlenaufzucht GmbH, Paderborn) in die Zucht ging. Als Leistungsstute Springen vom Westfälischen Pferdestammbuch besonders ausgezeichnet, brachte sie dort im Alter von 18 bis 25 Jahren vier Fohlen. Zwei Töchter des stationseigenen Hengstes FAN Holland, eine Tochter von Calido I und schließlich eine Tochter vom FAN Holland-Sohn Hogwart. Die FAN Holland-Tochter Hillary und die Calido I-Tochter Caletta sind nach Erfolgen in Springpferdeprüfungen jeweils in den Benelux-Ländern zur Zucht benutzt worden. Die Hogwart-Tochter Hondura brachte zunächst bei Familie Nixdorf erfolgreiche Nachkommen von For Pleasure und Quidam de Revel, später im Besitz von Heinz-Josef Rose (Büren) Nachzucht von Drogba (BEL) und Comme il faut. Aus der Comme il faut-Tochter Cortina gab es tatsächlich 2021 ein Stutfohlen von Dynamic Dream. Dido lieferte Nachzucht von Aldato (2), dessen Sohn Althoff, Gutenberg und Dialekt. Die Dialekt-Tochter Dance and Fly war unter Michael Landwehr im Großraum Dortmund bis Klasse S erfolgreich. Nachkommen der Dido waren über deren Tochter Amiga (v. Aldato) bei Georg Doetkotte (Gronau) im Stall, doch dieser Zweig scheint inzwischen erloschen. Von Ende der 1970er bis in die frühen 1980er Jahre sind mehrfach Warendorfer Landbeschäler auf den Vierling’schen Stuten zum Einsatz gekommen. So brachte Halme als letztes Fohlen 1979 den Sohn Saloniki 24 (v. Sinatra, SPR A und L), Wella ebenfalls 1979 besagte Goldika (v. Gottschalk) und 1983 eine Tochter von Barbados, und Dido die 1982 erwähnte Dance and Fly. Alles Hengste, die direkte in der Warendorfer Zentrale gewirkt haben. Naturgesetze außer Kraft Der 1965 geborene braune Halla-Sohn wurde Hakon getauft und war im Hause Stumpf (Roßdorf bei Darmstadt) mit Georg Stumpf vielfach siegreich in M-Springen und auch in S-Springen häufig platziert. Und jetzt kommt wieder die lückenhafte EDV der FN ins Spiel: Sowohl Hatto (FN-Sportname Hatto 2 DE 306062942963) als auch Hakon (DE 306062253565) hatten nachweislich nach 1976 noch Erfolge, sind aber beide im heutigen Datenpool der FN – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr vorhanden (vgl. ZÜCHTERFORUM 10/2023, Mut zur Lücke). Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, für das sich im Hause der FN (wie üblich) niemand verantwortlich fühlt. Aber die FN hat seinerzeit zu Ehren der Stute den Namen Halla gesperrt, kein Pferd durfte mehr auf diesen Namen eingetragen werden. Nun, es gibt in Warendorf seit Jahr(zehnt)en weitaus Wichtigeres zu tun, als sich mit solcherlei „Pillepalle“ zu beschäftigen. Der Name sollte durchaus wieder vergeben werden dürfen. Wen würde es stören? Viel wichtiger wäre es, dass die Nachkommen den Tatsachen entsprechend dokumentiert sind. Deren 1966 geborene braune Vollschwester Heika 8 war mit Ewald und Dorothee Irion auf baden-württembergischen Turnierplätzen erfolgreich. 1967 hatte Halla kein Fohlen, wohl aber einen großen Auftritt während des CSI Hannover 1967, den der unvergessene Journalist und geniale Künstler Carl-Heinz Dömken in einem großen Pferdeschaubild mit 120 Pferden initiiert hatte. Halla war 22 Jahre alt und hatte ein Güstjahr, daher gönnte man ihr und dem völlig begeisterten Publikum das große Wiedersehen. 1967 wurde der im Gestüt Lindenhof (zuvor im Gestüt Erlenhof) positionierte Schimmelhengst Anatol xx als Partner gewählt. Auch hier lohnt ein Blick ins Pedigree und die Suche nach springender Verwandtschaft, denn Anatol xx war ein Sohn des berühmten Schimmels Abernant xx, Vater des in der niederländischen Warmblutzucht hoch erfolgreichen Spring-Vollblüters Abgar xx und des Weltklasse-Springpferdes Aberali xx/Kathy Kusner (USA, in Aachen 1967 u. a. Sieger im Mächtigkeitsspringen über 2,20 Meter). Der 1960 geborene Vollblüter Anatol xx war bereits zweijährig Sieger auf der Bahn. Von ihm brachte Halla 1968 den Schimmel Holunder xx. Jawohl, er hatte das „xx“ für Vollblüter als Namenszusatz, denn was die Registrierung der Nachkommen anging, so wurden für Halla auch Naturgesetze gewissermaßen außer Kraft gesetzt: Das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen registrierte die Produkte als Vollblüter, und das, obwohl sie mitnichten Vollblüter waren. Aber sie stand nun einmal in einem Vollblutgestüt, und gemäß der Nomenklatur dieser Rasse wurden alle ihre Kinder mit dem Anfangsbuchstaben der Mutter benannt. Besagter Holunder xx war übrigens der einzige Halla-Nachkomme, bei dem nicht Gustav Vierling, sondern das Gestüt Lindenhof als Züchter eingetragen war, und er ging – wie schon sein drei Jahre älterer Halbbruder Hakon – unter Georg und Sohn Rolf Stumpf über lange Jahre erfolgreich bis zur Klasse M/A. Überhaupt sind die Halla-Nachkommen grundsätzlich in Darmstadt aufgewachsen und dann auch in der näheren und weiteren Umgebung sportlich erfolgreich gewesen. Überzogene Erwartungen Nur ein einziges Mal ist Halla im Hinblick auf Springpferdezucht sinnvoll angepaart worden: 1968 mit dem damals fünfjährigen Holsteiner Schimmel Maximus, der zu dem Zeitpunkt noch kein bewährter Vererber, sondern bestenfalls ein (wenn auch großer) Hoffnungsträger war. Eine Wundertüte eben; es hätte auch schiefgehen können. Doch diese „Wundertüte“ hat im Nachhinein gehalten: Er wurde ein sehr bewährter Springpferdemacher und war unter Manfred Kloeß unter der Ägide des Gestüts Nehmten einer der ersten deutschen Hengste im internationalen Springsport. Das Produkt war die 1969 geborene Tochter Hagia, die heranwuchs und einige Produkte hinterließ. Zunächst angepaart mit dem hoch bewährten Trakehner Leistungsträger Carajan, lieferte sie die fuchsfarbene Tochter Canora, die bei Gudrun Julich (Roßdorf bei Darmstadt) in der Zucht stand und mit dem bedeutenden Holsteiner Schimmel Capitano mehrere M-Springpferde lieferte. Hagia wurde dann, wie auch ihre Halbschwester Halme, mehrfach mit dem Celler Landbeschäler Wendekreis angepaart und brachte die Zuchtstute Wega und das Sportpferd und Whipcord 2. Letzterer war ein großer, herber und nicht sonderlich harmonischer Brauner mit viel Vermögen und immer etwas geradem Sprungablauf, der mit Ralph-Joachim Seidel in M- und S-Springen auf südhessischen Turnierplätzen erfolgreich war. Soweit ein ganz ordentliches Pferd mit sehr heterogener Genetik: Blutleerer Hannoveraner Vater, Holsteiner Muttervater, Traber, Franzose. Zum Abschluss brachte Halla aus erneut-bewährter Anpaarung an Menes xx als achtes und letztes Fohlen noch einen Fuchs, Hallodri 7. Dieser war etliche Jahre auf Turnierplätzen um Darmstadt herum mit Friedel Steffan und Stefan Altrock erfolgreich bis M-Springen. Sechs der acht Halla-Nachkommen waren somit M-erfolgreich, davon Hakon auch in der Klasse S. Die züchterisch eingesetzten Töchter Halme und Hagia waren nicht im Sport. Hallas züchterisches Vermächtnis war unter dem Strich weit weniger schlecht, als ihr gemeinhin nachgesagt wurde. Die Erwartungen waren nur im Nachhinein völlig überzogen. In Anbetracht der benutzten Hengste muss man die Ergebnisse sogar als deutlich überdurchschnittlich bezeichnen. Eine Vollschwester der Aldato-Söhne aus der Wella war übrigens das letzte Pferd aus Vierling’scher Zucht: die 1996 geborene Oldenburger Wella-Tochter Adria 172. Eberhard Vierling bewirtschaftete den Hof noch bis 2006 und zog dann um nach Bad König im Odenwaldkreis, wo er 2010 im Alter von 72 Jahren starb. Hinsichtlich der Verbandszugehörigkeit ist er sein gesamtes Züchterleben lang äußerst flexibel gewesen. Oftmals gab der Standort des Hengstes den Ausschlag für das Brandzeichen der Fohlen, manchmal auch die jeweiligen Berater. Von Hallas älterer Vollschwester Hexe ist mehrfach die Rede gewesen, insofern auch hier der Vollständigkeit halber eine kurze Zusammenfassung: Auch dieser Zweig hat sich über Generationen fortentwickelt. Ihre Enkelin Helia (v. Ernö-Honved xx-Oberst), das Produkt der oben erwähnten „Wallfahrt“ nach Sudweyhe, brachte in der Zuchtstätte Fritz Kistinger (Darmstadt) sieben Fohlen und wurde sinnvollerweise mehrfach mit Vollblütern angepaart: 1966 fohlte sie von dem hoch bewährten Dillenburger Landbeschäler Adonis xx die Tochter Helena und für 1970 und 1974 sind Töchter des weitgehend unbekannten Fast xx verzeichnet, mit den Namen Helvetia und Helena. Die Adonis xx-Tochter wurde im Hause Kaffenberger (Reinheim) zur Zucht benutzt und brachte dort von dem hauseigenen Beschäler Doran mehrere Töchter, die jedoch alle nur im Basisdressursport Turniere gingen. Der Zweig der Hexe ist nach heutigen Erkenntnissen erloschen. Bücher und Bronzen über Halla Halla hat viele Würdigungen erfahren. In Warendorf wurde eine Straße nach ihr benannt, der Hallaweg. Ihr zu Ehren schrieb man Bücher: Das bekannteste ist „Halla, meine Pferde und ich“ von Hans Günter Winkler, erschienen im FN-Verlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Warendorf 2007 (ISBN 978-3-88542-430-7; erstmals 1958 als „Meine Pferde und ich“ veröffentlicht). Dabei geht es in den Kapiteln dieser recht unterhaltsamen Autobiographie auch immer mal in einer gewissen Chronologie um die diversen Ehefrauen (insgesamt vier) des in der Ich-Form erzählenden Autors, was den Warendorfer Running-Gag bestätigt: „Das ist das Rathaus, in dem Herr Winkler immer heiratet!“ 1960 erschien bereits „Halla – die Geschichte ihrer Laufbahn“ von Hans Günter Winkler, im Kornett-Verlag, Verden. Dann gab es „Halla – berühmt und unvergessen“ von Herbert Plate, 1978 erschienen im KIBU-Verlag (ISBN: 3-88101-577-9), worin sehr eindrucksvoll die Werdegänge von Halla und ihrem Reiter geschildert werden, und „Halla – die Olympia-Diva“ von Karl-Heinz Dömken, 1981 erschienen im L. B. Ahnert-Verlag, Friedberg (ISBN: 3-92114-242-3). Auch Künstler und Bildhauer haben sich mehrfach an Halla versucht: Vor dem DOKR in Warendorf wurde eine lebensgroße Bronzeplastik aufgestellt, die an die „Wunderstute“ erinnert. Sie wurde 1978 von Hans Joachim Ihle gestaltet und 2016 zur Galafeier des 90. Geburtstag von Hans Günter Winkler nach Aachen in die Soers transportiert und anschließend wieder zurück. Ebenso steht eine Bronzeskulptur vor der Warendorfer Sparkasse. Der Künstler Gunther Granget wurde beauftragt, für die Porzellanfabrik Hutschenreuther eine Porzellanfigur der Stute zu modellieren. Auch die Porzellanmanufaktur Meissen brachte eine Halla-Statuette heraus, die vom Modelleur Jörg Danielczyk gestaltet wurde. Auf der Warendorfer Emsstraße wurde die Straße der Olympiasieger, ein Walk of Fame, eingerichtet, der Olympiasiegen im Reitsport gewidmet ist. Auf gravierten Granitplatten werden die Namen der Reiter und Pferde aufgeführt. Der erste Stein ist Hallas Olympiasieg 1956 gewidmet. Und schließlich die Philatelie: Mit dem Erstausgabetag 2. Mai 2019 gab die Deutsche Post AG eine Zuschlagsbriefmarke in der Serie „Für den Sport“ im Wert von 70 plus 30 Cent heraus. Der zusätzliche Erlös vom Verkauf der Marke wird der Deutschen Sporthilfe zur Verfügung gestellt. Die Marke trägt den Text „Und Halla lacht, als wüsste sie, um was es geht“. Das Zitat von ARD-Reporter Hannes Stein anlässlich ihres Null-Fehler-Rittes im zweiten Umlauf des Nationenpreises bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1956, als sie den nach einer Leistenzerrung im ersten Umlauf verletzten Winkler fehlerfrei ins Ziel trug und so zur Legende wurde. Insoweit ist Halla durch viele Huldigungen und Ehrungen unsterblich geblieben. Gestorben ist sie natürlich trotzdem: Anfang 1979 kam sie aus dem Gestüt Lindenhof wieder nach Darmstadt zurück und starb im Alter von 34 Jahren am 19. Mai 1979 in dem Stall auf dem Hofgut Oberfeld, in dem sie geboren wurde. SF-Stamm der Helene v. Ulon Hatto, B., * Hess. 1963, v. Menes xx u. Halla v. Oberst-Ulon, PB Hess. u. die internat. erf. Springpferde Halla (v. Oberst-Ulon) Hans Günter Winkler Saphir (v. Sylvester-Ulon) Sonnenglanz (v. Sylvester-Ulon) Hans Günter Winkler die erf. Springpferde Alisko (v. Aldato u. Wella v. Wendekreis-Menes xx-Oberst-Ulon) Lars Meyer zu Bexten Amadeus 194 (v. Aldato u. Wella v. Wendekreis-Menes xx-Oberst-Ulon) Sven Schlüsselburg Dance and Fly 2 (v. Dialekt u. Dido v. Diskus-Menes xx-Oberst-Ulon) Michael Landwehr Goldika 155 (v. Gottschalk u. Wella v. Wendekreis-Menes xx-Oberst-Ulon) Lars Meyer zu Bexten Whipcord 2 (v. Wendekreis u. Hagia v. Maximus-Oberst-Ulon) Ralph-Joachim Seidel
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