Gespräch mit dem CHIO-Chefsteward in Aachen |
Geschrieben von: Offz/ DL |
Samstag, 13. Juli 2019 um 20:04 |
Aachen. Vor wenigen Tagen stellte der WDR einen Film ins Netz unter dem Titel „Pferde – warum wir sie lieben und trotzdem quälen“. Der Streifen war alles andere als positiv, doch mit den indirekt angesprochenen großen und auch betroffenen Persönlichkeiten hatte niemand der Filmemacher davor geredet.
In Aachen begann das 104. Internationale Offizielle Reit- und Fahrturnier (CHIO) von Deutschland. Zum wichtigsten Personenkreis des Veranstalters zählen die Stewards, die die gültigen Regeln zum Wohle des Pferdes zu überwachen und gegebenenfalls Verstöße zu melden haben. Beim CHIO im vergangenen Jahr begeisterten die besten Dressurreiter der Welt mit großartigem Sport und nahezu ausnahmslos fairem Reiten. Nahezu. Denn es gab auch Kritik an Szenen auf dem Abreiteplatz, der Vorwurf: Nicht pferdegerechtes Abreiten, die Folge: Diskussionen, Vorwürfe und Beschimpfungen in den sozialen Medien. Chefsteward in diesem Jahr ist der Belgier Jacques van Daele.
Herr van Daele, was sind Ihre Aufgaben als Chief Steward? Jacques Van Daele: „Die Reiter begleiten – da sein, im Stall, auf den Abreiteplätzen und dazwischen. Beobachten und alles, was dort passiert, kontrollieren.“ Van Daele: „Das steht klar im Reglement. Dort ist geregelt, was erlaubt ist, und was nicht. Halten sich alle dran, ist es einfach.“ Van Daele: „Die Situation heute ist klar, der Dressursport hat sich entwickelt, verändert. Eine zu enge Hals-Einstellung ist nicht mehr akzeptiert, nicht von der Presse, und erst recht nicht vom Publikum. Heute wird eben nicht mehr so geritten wie vor 20 Jahren. Die allermeisten Reiter haben das längst verstanden. Aber ich sage auch: Eben noch nicht alle. Und daran müssen wir gemeinsam arbeiten.“ Van Daele: „Ja natürlich! Sicher! In den meisten Ländern.“
Van Daele: „…dass ich in der Vergangenheit schon auch ein paar Schwierigkeiten mit Reitern gehabt habe. Die haben nicht verstanden, warum sie eine Gelbe Karte erhalten haben. Dann versuche ich das zu erklären. Ich nehme mir Zeit dafür, eine Stunde, eineinhalb Stunden. Die müssen damit nicht einverstanden sein, aber sie müssen sich wenigstens anhören, warum ich sage: Hör mal…. Wir sind keine Feinde, aber wenn es zu weit geht, dann geht es zu weit.“„ Van Daele: „Reden, reden, reden. Die Leute, mit denen ich zusammen arbeite, das sind die Reiter. Wir sprechen viel und oft. Nicht immer nur auf dem Abreiteplatz, auch im Stall und nach oder vor dem Abreiten. Und wenn ich so ein Wochenende verbringen kann ohne Verwarnungen oder gelbe Karten, dann finden wir das doch alle viel besser.“ Van Daele: „Wir schreiten ja ein, reagieren, und lassen das die Reiter auch wissen. Aber ja, vielleicht haben wir das nicht deutlich genug nach außen gezeigt. Ich sage immer zu meinem Stewards: Nicht rufen! Hingehen und sagen, was gesagt werden muss. Und wenn das nicht hilft - dann bin ich da. Ich bin immer da.“ Van Daele: „Ja, das hilft viel. Es gibt Reiter, mit denen ich mich ganz gut verstehe, es gibt aber auch schwierige Reiter. Es ist eben nicht immer nur einfach – schwer geht auch.“ Van Daele: „Ja das hilft, sehr sogar.“ Van Daele: „Und respektiert und anhört! Und nicht schon die Antwort vorbereitet, anstatt wirklich zuzuhören. Dann fängt man nämlich an, zu schießen. Wenn die Leute aufgeregt sind, sage ich: Warte mal eine halbe Stunde. Und dann sprechen wir. In 90 Prozent der Fälle funktioniert das. Für mich ist das wichtigste Integrität – Sagen, was man macht, und machen, was man sagt.“ Van Daele: „Das Wichtigste wird sein, deutlich zu machen, dass wir etwas unternehmen. Die Zuschauer dachten wahrscheinlich: Die sitzen da… So werden die Stewards in diesem Jahr Westen tragen, um sofort erkennbar zu sein. Und ganz klar: Im letzten Jahr war auch nicht alles richtig, wir haben einmal auch zu spät reagiert, und ich bin verantwortlich dafür. Wenn jemand nicht fair reitet, werden wir uns darüber unterhalten. Nicht später, sondern sofort.“ Van Daele: „Natürlich! Warum nicht? Wissen Sie, letztes Jahr war nicht mein Highlight, aber es wäre falsch, nun aufzuhören. Das ist nicht meine Art. Ich kann nur meine Arbeit so gut wie möglich machen und versuchen, jeden im Team zu motivieren, es genauso zu machen. Und wenn ein Reiter vor der Rückfahrt Danke sagt – mehr nicht. Nur Danke – dann bin ich glücklich. Und dann sage ich immer: Nicht mir gilt der Dank. Meinem Team!“ |