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Dressur-Journalist Gerd Lemke lebt nicht mehr PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Sonntag, 09. Mai 2021 um 13:59

 

(Foto: Jens Lemke)

Langenfeld. Im Alter von 91 Jahren starb zuhause in Langenfeld Reitsport- und Wirtschaftsjournalist Gerd Lemke. Sein letztes Ziel hatte der DPA-Korrespondent noch erreicht: Die Lebenserinnerungen niederzuschreiben für die beiden Enkelinnen…

Vor einer Woche klang seine Stimme nicht gerade positiv am Telefon, aber er hörte sich zufrieden an. Gerd Lemke hatte am Ende eines langen Weges nämlich sein letztes gestecktes Ziel erreicht: Sein Leben war niedergeschrieben, auf 178 Seiten, für seine beiden Enkelinnen Amelie und Ann-Kathrin, die Töchter seines Sohnes Jens, der Lektorat, Satz und Gestaltung des aufschlussreichen Buches übernommen hatte. „Opa erzählt“, heißen die Lebenserinnerungen des ewigen Berliners, 91 Jahre in Fotos unterlegt, Gerd Werner Herbert Lemke von der Geburt am 10. März 1930 bis zum Tode am 7. Mai 2021. Er hatte das nahende Ende geahnt, der Sohn sagte es, ganz friedlich sei er eingeschlafen im eigenen Bett in seinem Haus in Langenfeld, ruhig und zufrieden.

Er nannte sich einen waschechten Berliner, denn Vater und Mutter stammten aus der deutschen Hauptstadt. Er wuchs in Berlin-Borsigwalde auf, erlebte Bombennächte mit, wurde vor Kriegsende noch eingezogen als Hitlerjunge, Abitur 1949 an der Friedrich-Engels-Schule in Reinickendorf, begeisterter Fußballanhänger bereits als Junge, wenn auch selbst nicht gerade talentiert fürs Kicken. Dafür wurde er Schiedsrichter. Er zeichnete in seinen Erinnerungen einen Weg auf, ganz nah, ganz treffend, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, ohne Urteile zu fällen. Seine Zeilen lassen spüren, dass er einfach nichts weiter als sein ungefärbtes Leben seinen Nachkommen erzählen wollte. Nicht als Besserwisser, ganz einfach als Opa. Und das waren Flucht mit der Mutter vor der Roten Armee, Angst der Frauen vor Vergewaltigungen, Hunger, Schreie, ungewisse Zukunft, immer weiter gen Westen zu Fuß, am Rande tote deutsche Soldaten, tote Zivilisten, überall brannte es, dann wieder zurück gen Osten, der Krieg war aus, der Vater kam plötzlich mit Fahrrad irgendwoher.

Als Jugendlicher schon hatte er Sportberichte verfasst, über Fußball natürlich. Doch Journalist wollte er nicht werden, er schrieb zwar weiter für die Fußball-Woche, doch der Beruf des Kaufmanns reizte ihn, „nämlich als einen ordentlichen Beruf“. Die Richtung wusste er nicht, „Textil oder Holz“. Er erhielt am 15. Februar 1951 einen Job als Volontär in einem Berliner Textil-Kontor. Und weil er neugierig war, wollte er auch kennenlernen, wie Stoff entsteht. So machte er sich zu Beginn des Sommers 1952 auf den Weg nach Leichlingen, um bei „Simons & Frowein“ ein Praktikum anzufangen. Dort wurde er Lehrling und im März 1954 nach der Kaufmannsgehilfenprüfung fest angestellt. Und bei „Simons & Frowein“ lernte er Gisela Horsch kennen, sie war Vorstandssekretärin und wurde am 4. Februar 1958 seine Frau, sie blieb es 60 Jahre und 13 Tage. Sie war vom Einkaufen gekommen, hatte sich in einen Sessel zum Ausruhen gesetzt, schlief ein und wachte nicht mehr auf.   

Der Reiz des Geldes lockte ihn weg von Simons & Frowein zu einer Firma nach Opladen, die Damenröcke produzierte, dort wurde viel versprochen, wenig gehalten. Gerd Lemke kündigte und war Ende 1962 arbeitslos und musste „stempeln gehen“, wie man damals sagte. Alle folgenden Bewerbungen in der Textilbranche schlugen fehl, trotz guter Zeugnisse, er war verzweifelt, Sohn Jens war gerade auch noch geboren, später kam noch Tochter Britta dazu. Der Vater ohne Job. Die Rettung war sein Schwager Jürgen. Der sprach mit seinem Chef, dem Landesbüroleiter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Düsseldorf, Johannes Schader. Die Agentur stellte ihn ein, er hatte ja schon journalistische Erfahrungen in Wirtschafts- und Sozialpolitik. 32 Jahre lang war die dpa sein Arbeitgeber. Er selbst blieb bis zum Tode außerdem Genosse mit Parteibuch bei der SPD, für die er auch vor  Wahlkämpfen Plakate klebte.

1965 ab zum CHIO Aachen

Weil dpa 1965 kein reitsporterfahrenes Redaktionsmitglied für das Internationale Offizielle Turnier (CHIO) von Deutschland in Aachen hatte, wurde Gerd Lemke von der Außenredaktion Düsseldorf ausgeguckt. Dort sagte man, Lemke habe ja schon immer Interesse am Pferdesport gehabt, und Aachen wäre ja nicht so weit. Damals, das war noch die Zeit, als Journalisten nicht so ohne weiteres sich in einem Hotel auf Verlagskosten einquartieren durften. Aachen galt bei dpa mit Blick auf Gerd Lemke als Veranstaltung vor der Haustüre, und ehe er in die Soers fuhr, hatte er noch täglich in der Düsseldorfer Redaktion Wirtschaftsnachrichten zu verfassen.

So also begann die zusätzliche Laufbahn des Gerd Lemke im Reitsport. Und seine besondere Liebe gehörte der Dressur, er ritt selbst, war gut Freund mit den Medaillengewinnern bei Olympia oder Championaten wie Liselott Linsenhoff, Gabi Grillo (von den Kollegen auch „seine Braut“ genannt),  von Dr. Reiner Klimke, Heidi und Jan Bemelmans, Harry Boldt und Herbert Krug. Der Winzer Krug wiederum versorgte ihn während des alljährlichen Dortmunder Hallenturniers auch jeweils mit einer Kiste Rebensaft eigener Weinberge. Er galt immer als Freund oder guter Bekannter auch mit vielen anderen, die den internationalen Sport in Frack und Zylinder prägten. Er hatte seine Favoriten, aber er bevorzugte sie nicht.

Als Journalist war er nicht verliebt in eigene Formulierungen, er tendierte nicht zum Fabulieren, so dass sich Wahrheit und Dichtung irgendwo trafen. Er hätte nie für einen besonders gelungenen Satz in einem Artikel Tatsachen verdreht, weil es schöner geklungen hätte. Er blieb immer der reine, nüchterne Agentur-Journalist, er stand knochenhart für korrekte und wahre Recherche, und am Ende einer Story oder Meldung hatte mit dem letzten Punkt die Nachricht zu stimmen. 

Gerd Lemke hatte aber auch andere amüsante Auftritte, die im Kollegenkreis immer wieder gerne erzählt werden. So betanzte er zum Beispiel vor Jahren beim „Heldengedenktag“ in Warendorf, wo einmal im Jahr alle mit Orden behängt werden, die bei Championaten oder in der Zucht oder sonst wo Meriten erworben haben, mit einer Dame, die er nicht kannte. Jedenfalls ließ er ausgerechnet bei ihr einiges los über einen hohen Verbands-Funktionär, wobei er sich in seinen Titulierungen nicht gerade zurückhielt. Nach dem Schwof meinte er, jetzt sei ihm wohler. Auf die Frage, ob er eigentlich wisse, mit wem er getanzt habe, sagte er: „Nein.“ Den Hinweis, er habe die Gattin des Generalsekretärs übers Parkett geschoben, konterte er dahingehend: „Na und? Es musste ja mal gesagt werden...“

Auf dem Bonner Rodderberg ließ er 1992 vor den Spielen in Barcelona auch einen guten Spruch los. Als nämlich die Funktionsträger des deutschen Reiterverbandes (FN) nach der angeblich entscheidenden Sichtung bei der Nominierung der Olympia-Equipe herumeierten und nicht erklären konnten oder wollten, warum Ingrid Klimke nicht aufgestellt wurde, stand Gerd Lemke auf und verließ laut mit dem Spruch den Raum: „Ich bin hier wohl beim  Zirkus Roncalli...“

 


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