Aachen - letzte Ausfahrt nach Paris |
Geschrieben von: Alexandra Koch/ dl |
Dienstag, 02. Juli 2024 um 17:20 |
Aachen. Vielseitigkeitsreiter Jerome Robine hat ein erstes ganz großes Ziel direkt vor Augen, nämlich für die Olympischen Sommerspiele durch das Olympiadekomitee für Reiterei (DOKR) für eine Teilnahme zunächst dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zur Nominierung vorgeschlagen zu werden. Und dafür braucht es eine abschließende eine gute Leistung am Wochenende beim deutschen CHIO in Aachen, denn unmittelbar danach ist Meldeschluss für Olympia. Jerome Robine ist erst 26 Jahre alt. Nicht weniger als fünf Mal war er mit zwei verschiedenen Pferden bei Nachwuchseuropameisterschaften unterwegs und gewann dabei vier Medaillen inklusive zwei Mal Gold. Im Jahr 2023 bestritt er in Luhmühlen zum ersten Mal eine lange 5*-Prüfung und löste aufgrund seiner hervorragenden Leistungen das Ticket für die EM in Le Pin-au-Haras. Am Ende erreichte Robiné als drittbester deutscher Teilnehmer Platz sieben. Und nun? Olympia? Er will in Aachen alles dafür geben – und sein Pferd Black Ice ist in Topform! Familienbande von Anbeginn Seine Familie bedeutet Jérôme Robiné alles, selbst wenn er mittlerweile nicht mehr in seiner Heimat Darmstadt, sondern im Zentrum der Reiterei, am DOKR in Warendorf beheimatet ist. Seit 2016 als Sportsoldat an der Bundeswehrsportschule, nur einen Steinwurd vom DOKR entfernt, auf der anderen Straßenseite quasi. Warendorf ist sein Lebensmittelpunkt, die Möglichkeiten vor Ort bezeichnet er als „hervorragend“. Es war die Chance seines Lebens, dorthin zu gehen. Dennoch zieht es den jungen Mann immer wieder zurück zu seinen Wurzeln. Beim ersten Championat bei den „ganz Großen“ war die Familie komplett vor Ort, sie unterstützt ihn sowieso in jeder Lebenslage. „Wir helfen uns immer gegenseitig, verstehen uns bestens und sind füreinander da“, betont der Reiter. Jérôme Robiné hat zwei Geschwister: Den zwei Jahre älteren Bruder Jasper (studiert Umweltingenieurswesen und spielt in der Regionalliga Basketball) und die drei Jahre jüngere Schwester Lisette (studiert Online-Journalismus), die lange Zeit auf vielen großen Turnieren als Pflegerin an seiner Seite stand und nun alles in Sachen Medien für die Familie übernommen hat. „The Good, the Bad and the Ugly – so sollte man uns wohl nennen. Man kann jetzt mal überlegen, wer wohl wer ist in unserem erlesenen Kreis.”, sagtt lachend Jérôme Robiné. „Die Lösung lautet, dass ich vom Aussehen wohl nur die Nummer 3 bin. Aber immerhin bin ich ein richtig Netter. Mein Bruder Jasper hat von uns allen am meisten Unsinn gemacht, also ist er the Bad und Lisette war eben immer am besten bei allem, und meine Mutter war ,glaube ich, sehr froh, dass sie am Ende noch ein Mädchen dazubekommen hat.“ Spaß war und ist für die Familie Robiné wichtig. Das gilt fürs Reiten ebenso wie für alles andere in seinem Leben. Doch obendrein ist Jérôme Robiné überaus zielstrebig und immer konzentriert bei der Sache. Los ging es mit dem Pferdefieber bei den beiden Jungs. Aber wer in einer Tierarzt- und Züchterfamilie aufwächst, dem bleibt fast nichts anderes übrig als sich ebenfalls für Pferde zu begeistern. „Jasper und ich waren immer schon im Stall mit dabei und haben am Vereinsleben bei uns in Griesheim bei Darmstadt auch ganz früh aktiv teilgenommen“, erinnert sich Jérôme. „Gemeinsam machte das riesig viel Spaß. Zunächst war alles einfach nur ein Hobby. Aber dann wurde es professioneller.“ Und so begann Jasper mit dem Springen, Jérôme und Lisette fühlten sich zur Vielseitigkeit hingezgezogen. Erste Europameisterschaft, erste Medaille Seine erste Europameisterschaft ritt Jérôme Robiné im Jahr 2014. Damals mit 16 Jahren saß er im Sattel von Quaddeldou R OLD. Der 2005 geborene Wallach stammt aus der Zucht von Vater Frank Robiné. Mittlerweile genießt er seine Rente bei der Familie. In seinen letzten aktiven Jahren war er mit Lisette in kleineren Prüfungen unterwegs. Quaddeldou trug seinen Reiter Jérôme Robiné bei nicht weniger als drei Europameisterschaften ins Ziel. Als Lohn gab es Gold, Silber und Bronze zu feiern. 2014 waren es Silber mit dem Team und eine sensationelle Bronzemedaille im Einzel bei den Junioren. 2017 holten die beiden bei den Jungen Reitern obendrein Team-Gold und erreichten im Einzel den sechsten Platz. 2016 ritt Jérôme Robiné auf dem ebenfalls selbst gezogenen Guccimo R OLD zu seiner ersten Team-Goldmedaille. Der 2008 geborene Sohn des Grafenstolz ist bis heute bei kleineren Turnieren unterwegs. Insbesondere die EM in Millstreet/Irland 2017 wird jedoch Jérôme Robiné, damals ganz frisch bei der Bundeswehr, immer in Erinnerung bleiben. Mit einem Schmunzeln denkt er an die Verkettung unglücklicher Umstände damals zurück. „Meine Eltern reisten mit dem Wohnmobil auf die Insel und hatten einen Großteil des Gepäcks von Lisette, die als Pflegerin mit Quaddeldou mitkam, und mir dabei. Bis vor Calais lief das alles super, aber dann gab ihr Wohnmobil den Geist auf. Deshalb war meine Uniform, die ich als frisch in der Bundeswehrsportgruppe aufgenommener Reiter trug, noch in Frankreich als ich längst in Irland angekommen war. Ich konnte von Glück sagen, dass ich meine Ausgehuniform mitgenommen hatte und diese bei der Verfassungsprüfung tragen konnte. Der Stoff war aber ganz schön warm. Außerdem fehlten meine Reitstiefel, aber mein Teamkollege Jan Mathias hatte mir daraufhin seine geliehen.“ Trotzdem war es für die beiden Jugendlichen damals ohne Eltern schwierig vor Ort. „Aber das war so eine Herausforderung, die ewig in Erinnerung bleibt. Die Eltern unserer Mitstreiter haben uns alle aufgefangen und unterstützt. Ich denke, an solchen Momenten wächst man“, erklärt er. „Wer weiß, was es mir für meine jetzige Entwicklung gebracht hat!“ Fünf Tage später als geplant waren die Eltern dann doch noch vor Ort und konnten das Team-Gold des Sohnes miterleben. Schon damals träumte Robiné mit seinen 19 Jahren von mehr. „Die ganze Zeit am DOKR ab Ende 2016 hat mich sehr geprägt und dafür gesorgt, dass ich mit viel mehr System und reflektierter an den Sport herangehen konnte.“ Der nächste Schritt Doch die Zeit der Jungen Reiter neigte sich zwei Jahre später mit einer letzten EM-Teilnahme 2019 in Marsbergen auf Guccimo R OLD dem Ende zu. Neue Ziele standen an. Jérôme Robiné blieb am DOKR in Warendorf und hatte längst die Weichen für die Zukunft gestellt. Ab 2018 bis 2023 gehörte er der Perspektivgruppe Vielseitigkeit an. Seit 2022 wird er von der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport durch seine Mentorin Isabel Bonacker besonders gefördert. Seinen ersten Nationenpreis im Seniorenlager ritt Jérôme Robiné im Jahr 2018, und danach ging es auch bei den „Großen“ stetig bergauf. Praktisch „nebenbei“ begann er ein Studium der Betriebswirtschaft in Münster, das er zielstrebig voranbrachte. 2022 feierte der junge Mann beim Bundeschampionat einen großen Erfolg, indem er den fünfjährigen Trakehner Sturmpfeil zum Vize-Titel galoppieren ließ. „Er ist das Pferd meines ehemaligen Trainers Jörg Kurbel“, berichtet Jérôme Robiné, „deshalb war es für mich natürlich etwas ganz Besonderes, ihn zu präsentieren. Jörg habe ich viel zu verdanken. Er hat mich meine ganze Jugend über trainiert und ich kann auch jetzt immer noch mit allen Anliegen zu ihm kommen.“ Kurbel nahm 2019 selbst an den Europameisterschaften teil. Bei seinen ersten Schritten im Seniorenlager stehen Robiné zwei Top-Partner zur Verfügung. Einer davon ist Brave Heart, ein mittlerweile sechzehn Jahre alter Hannoveraner, mit dem der Reiter 2021 bei den Deutschen Meisterschaften Zehnter wurde. Und noch herausragender ist jedoch die Entwicklung des vierzehn Jahre alten irischen Wallachs Black Ice, „Benny“, wie er im Stall heißt. 2020 fanden die beiden zusammen. 2022 galoppierten sie bei den Deutschen Meisterschaften in Luhmühlen nur knapp am Podest vorbei und wurden Vierte. „Das waren absolut Reiterfehler, dass es nicht zu einer Medaille gereicht hat“, betont Robiné selbstkritisch. „Ich wusste längst, dass ich mit Benny alles schaffen kann." Fünf Sterne und Europameisterschaft So war die Marschrichtung für 2023 klar. Seine erste 5-Sterne-L-Prüfung wollte Jérôme Robiné in Luhmühlen reiten. Dies gelang mit einem zehnten Platz. Ein paar kleine Wackler gab es noch in der Dressur und die beiden Abwürfe im abschließenden Springen. Dennoch: „Wir sind damit auf Fünf-Sterne-Niveau angekommen. Jetzt liegt es an mir, dass wir noch besser und sicherer zu werden. Insgeheim waren die Top Ten für mein Debüt auf höchstem Niveau mein Ziel. Das haben wir dort tatsächlich geschafft, was mich überglücklich nach Hause fahren ließ.“ Aber nach diesem Großevent wurde er für die Europameisterschaften nominiert. „Es war ja immer schon mein Traum, ein Championat zu reiten“, sagt er und lächelt, „nun war es wahr geworden.“ Was ihm bei der großen Herausforderung EM besonders Kraft verlieh, war der Teamspirit, beschreibt wollte Jérôme Robiné. Ich werde die Zeit in unserem Trainingslager in Deauville direkt am Meer sicher niemals vergessen. Dieses Vorgehen war praktisch schon ein Testlauf für die Olympischen Spiele in Paris, was den Ort und die Herangehensweise angeht. Allein das fühlte sich besonders an. Die Anlage in Deauville ist einfach toll, ganz ruhig gelegen. Wir hatten allesamt viel Zeit für uns und unsere Pferde, konnten uns ganz aufeinander konzentrieren und aus dem Alltagstrott im Stall herauskommen. Wir Reiter und die Trainer hatten dort auch ganz viel Spaß zusammen und konnten sogar die eine oder andere Freizeitaktivität einplanen.“ Und wer an den Europameisterschaften derart erfolgreich teilgenommen hat, der denkt doch spätestens auch an Olympia. „Schon mein ganzes Reiterleben lang sind die Olympischen Spiele mein Wunsch, mein Traum und mein großes Ziel. Nun sind Benny und ich richtig nah herangerückt. Platz sieben bei der EM – das hätte ich mir zuvor kaum ausmalen können. Aber es gibt uns eine deutliche Marschrichtung vor, und natürlich würde ich gern in Paris reiten. Frankreich hat uns ja auch in diesem Jahr schon Glück gebracht und ich habe die historische Anlage in Le Pin-au-Haras geliebt. Aber Versailles, das ist natürlich noch spezieller. Auch wenn natürlich einiges an Glück dabei ist, unter diese erlesenen Drei für Olympia zu komme, werden wir in Aachen nochmal alles geben!“
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